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Ausverkauf der Heimat

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Momentan sind sie dem braven Schweizer ein Dorn im Auge, die „Wunderkinder aus dem großen Kanton“. Gemeint sind Deutschlands geldstarke und bodenhungrige Bürger, die es sich scheinbar zum Hobby gemacht haben, möglichst schönen und recht viel Schweizer Boden zu kaufen. Die Italianiti des Tessins ist bedroht! Der alte Gotthard muß Schwäbisch lernen! Die Tell-platte am Urner See soll mit „hochdeutschen“ Ferienhäusern überbaut werden! Ja selbst die urchigen Appenzeller sind gefährdet!

Die Kassandrarufe mehren sich. Die Schweizer Zeitungen sind gefüllt mit Tatsachen und Vermutungen über Bodenverkäufe an Ausländer, vorzüglich an Deutsche. Die fremdenverkehrsfreundliche Schweiz wittert selbst im biederen Gast aus Schwaben einen „Bodenhamster“.

Der Schweizer Boden ist für ein Fünfmillionenvolk karg und mager. Von der Gesamtfläche von 4,1 Millionen Hektar sind 931.000 Hektar unproduktiv und rund eine Million Hektar werden von Waldungen bedeckt. So bleiben für das Volk praktisch noch zwei Millionen Hektar übrig, die genutzt und bebaut werden können. Und hier setzt denn auch der Handel ein. So karg und so rar der Schweizer Boden aber ist und so wenig das Land mit Bodenschätzen verwöhnt wurde, so schön und abwechslungsreich ist das Land in den Alpen. Von den stolzen Firnen im Gletschereis bis an die lieblichen Gestade des Luganer Sees ist's ein Katzensprung. An die stolzen Höhen und schroffen Wände der Urschweiz reihen sich die fruchtbaren Ebenen des Mittellandes. Daß diese Parklandschaft zum Bleiben lockt, ist begreiflich. Und wenn der Franken fast ebenso hart ist wie das felsige Land, dann muß es nicht überraschen, daß die Gelegenheit zur Anlage von Geldern reichlich benützt wird.

Nun aber melden sich auch die kantonalen Parlamente. Im Großen Rat des Kantons Sankt Gallen wurde von einem Gemeindeammann einer großen Industriegemeinde am Bodensee eine Interpellation folgenden Inhaltes be-gründet:

„In letzter Zeit werden nicht nur im Kanton Tessin, sondern auch int Kanton Sankt Gallen von Ausländern Liegenschaften aufgekauft. Diese Liegenschaftenkäufe nehmen einen besorgniserregenden Umfang an. Voi allem in Gemeinden mit reger Bautätigkeit gehen laufend Liegenschaften in ausländische Hände über. Da diese Entwicklung unerfreuliche staatspolitische Konsequenzen hat unc das geltende Bodenrecht keinen Schutz zw Erhaltung des nationalen Grundeigentums bietet, wird der Regierungsrat um Auskunft ersucht, ob er bereit ist, die Rechtsgrundlagen für die Erschwerung oder Verhinderung dieser Grundstückkäufe vorzubereiten, eventuel, bei den eidgenössischen Instanzen entsprechend zu intervenieren.“

In seiner Antwort wartete der Regierungsra mit Zahlen auf: Im Kanton St. Gallen stehen inausländischen Eigentum: 51 landwirtschaftlich Liegenschaften mit einem amtlichen Verkehrs wert von 1,609.220 Franken; 91 Geschäftsliegenschaften, Verkehrswert 7,318.600 Franken 521 Wohnhäuser, Verkehrswert 44,641.78:Franken. Die Zahl der Liegenschaftsverkäufe von Schweizern an Ausländer betrug: im Jahre 1957 26 bei einem Verkehrswert von 2,311.870 Franken, im Jahre 1958 82 bei einem Verkehrswert von 12,03 5.940 Franken, im Jahre 1959 bis Ende September 125 bei einem Verkehrswert von 17,326.131 Franken.

Der Bericht des Regierungsrates stellt sodann fest, daß die Liegenschaftsverkäufe an Ausländer insbesondere aus staatspolitischen Gründen zum Aufsehen mahnen. Trotzdem ist die Regierung der Ansicht, daß, abgesehen von einer stärkeren steuerlichen Erfassung, deren Möglichkeit geprüft wird, aber fragwürdig erscheint, keine Eingriffsmöglichkeit besteht, da die verfassungsmäßigen Freiheitsrechte Grenzen setzen. Viel wichtiger ist es, daß das staatspolitische Gewissen des Schweizers geweckt wird.

Nicht so sehr die Deutschen sind es, welche uns Sorge bereiten, als vielmehr die der heimatlichen Scholle untreu gewordenen Teilsöhne. Weil für sie das Geld nicht riecht, auch die D-Mark nicht, benützen sie die sich bietende Gelegenheit und verkaufen Haus und Hof an den Meistbietenden. Diese Meistbietenden werden aber nicht irgendwo gesucht, sondern ganz gezielt in deutschen Landen. So zählte man in einer Samstagnummer der „Frankfurter Allgemeinen“ 62 Inserate, die Schweizer Boden anbieten.

Die Behörden haben keine große Lust, den Bodenhandel im Zeitalter des freiheitlichen Marktes noch mehr zu verklausulieren. Was viel wichtiger ist, das sind Eidgenossen, die der Väterscholle die Treue halten und die den Mut haben, die anonymen Liegenschaftsbüros zu boykottieren. Dann wird der Boden schweizerisch bleiben auch ohne prophylaktische Maßnahmen.

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