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Der Mythos einer Landschaft

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Dieser Band macht mit dem altösterreichischen Grenzland Galizien und der Bukowina vertraut, das durch die Shoa kulturell verödete und in dem nicht fotografiert werden durfte.

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Dieser Band macht mit dem altösterreichischen Grenzland Galizien und der Bukowina vertraut, das durch die Shoa kulturell verödete und in dem nicht fotografiert werden durfte.

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Galizien und die Bukowina ist für viele eine imaginäre Literaturlandschaft. Wir denken an Joseph Roth (siehe auch Seite 11), der in Brody geboren wurde und in Lemberg studiert hat, an Manes Sperber oder an Paul Celan, Rose Ausländer und Gregor von Rezzori aus Czernowitz. 1985 konnte ich meine schemenhaften inneren Bilder in Lemberg überprüfen. Um 6 Uhr früh belebte sich ein bunter Bauernmarkt, Und als Österreicher bekam ich frische Zwetschken geschenkt und eine Geschichte vom Kaiser zu hören.

In dieser Stadt war die Vergangenheit lebendiger als die Gegenwart, die sie besiegt hatte. Die obligate Leninstatue vermochte das Opernhaus, vor dem sie stand, nicht zu beherrschen, aber die alten Bauwerke und ihr Ambiente waren machtlos gegen die rüden Umgangsformen in der Öffentlichkeit. Lemberg war ein Heilmittel gegen den Optimismus in bezug auf die Geschichte. In die Bukowina kam man damals nicht so leicht, schon Bilder von dort zu bekommen war schier unmöglich, wie wir aus der Entstehungsgeschichte des Filmes „Die papierene Brücke“ von Ruth Beckermann wissen.

Nun liegt erstmals ein Band mit neuen Fotos aus diesem Landstrich vor, und die Autorin Verena Dohm beschreibt in einem gleichermaßen informativen wie einfühlsamen Essay viele historische Details dieser ehemals multikulturellen und multireligiösen Region und läßt die At mosphäre von Czernowitz, dem „Klein-Wien“ des Ostens, entstehen.

Die Fotos zeigen nur die Gegenwart: Landschaften, Städte und vor allem Menschen, ihren Alltag, ihre unterschiedlichen Traditionen, soziales und politisches Leben. Die Beschränkung auf Schwarz-weiß-Fotos verhindert den touristischen Ausflug des Betrachters in Armut und Folklore: Farbe hätte die bunten Kostüme der Huzulen - ein Bergvolk der Karpaten - und die Düsternis der Städte in den Vordergrund gerückt. Die Bilder bringen uns eine andere Welt nahe, ihre Fremdheit und Vielgestaltigkeit, ihre wienerische Vertrautheit und ihr Judentum, soweit es nationalsozialistische Ausrottung und sowjetische Unterdrückung überlebt hat.

GALIZIEN

Fotografien von Guido Baselgia. Mit einem Essay von Verena Dohrn. Jüdischer Verlag, Frankfurt 199k 96 Seiten, öS 281,-.

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