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Diplomat und Kunstmäzen

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„Aus dem alten Europa“ ist der Titel der Lebenserinnerungen der Helene von Nostitz, die Hofmannsthal durch Vermittlung des Grafen Harry Kessler kennenlernte. Und „Aus dem alten Europa“ könnte man auch als Motto über diesen Briefwechsel zwischen dem preußischen Offizier, Weltmann, Diplomaten, Kunstmäzen und Bibliophilen Kessler und dem großen österreichischen Dichter Hugo von Hofmannsthal setzen. Die beiden Briefpartner hatten sich im Frühjahr 1898 in Berlin kennengelernt, wo Hofmannsthal der ersten Aufführung seines Stückes „Die Frau im Fenster“ beiwohnte. Hofmannsthal war damals vierundzwanzig Jahre alt, Kessler, väterlicherseits einem süddeutschen Adelsgeschlecht entstammend und mütterlicherseits irischer Abkunft, war sechs Jahre älter. Erst sein Vater war von Wilhelm I. in den Grafenstand erhoben worden man sagt: nicht zuletzt dank seiner bildschönen Frau, für die der alternde Kaiser eine Schwäche hatte.

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„Aus dem alten Europa“ ist der Titel der Lebenserinnerungen der Helene von Nostitz, die Hofmannsthal durch Vermittlung des Grafen Harry Kessler kennenlernte. Und „Aus dem alten Europa“ könnte man auch als Motto über diesen Briefwechsel zwischen dem preußischen Offizier, Weltmann, Diplomaten, Kunstmäzen und Bibliophilen Kessler und dem großen österreichischen Dichter Hugo von Hofmannsthal setzen. Die beiden Briefpartner hatten sich im Frühjahr 1898 in Berlin kennengelernt, wo Hofmannsthal der ersten Aufführung seines Stückes „Die Frau im Fenster“ beiwohnte. Hofmannsthal war damals vierundzwanzig Jahre alt, Kessler, väterlicherseits einem süddeutschen Adelsgeschlecht entstammend und mütterlicherseits irischer Abkunft, war sechs Jahre älter. Erst sein Vater war von Wilhelm I. in den Grafenstand erhoben worden man sagt: nicht zuletzt dank seiner bildschönen Frau, für die der alternde Kaiser eine Schwäche hatte.

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Seine Kinderjahre verbrachte Kessler in Paris und in England, wo er auch zur Schule ging. Im Pensionat von Asoot gehörte Winston Churchill zu seinen Mitschülern. Bald nach Abschluß seiner Universitätsstudien sah sich Kessler im Besitz eines beträchtlichen Vermögens, das ihm gestattete, ganz seinen Neigungen zu leben. Diese zogen ihn vor allem zur bildenden Kunst, zur Literatur und zur Bibliophilie, zium Kunstdruck. Kessler war der Gründer und Besitzer der Carnach-Presse, die die schönsten, in deutscher Sprache existierenden Bücher hergestellt hat. Lange Jahre war er als Leiter des Museums von Weimar, in erzherzög- lichem Dienst, tätig, wo er sich auch ein Haus im Jugendstil bauen ließ. Eine zweite Wohnung besaß er in Berlin. Beide waren seinen Künstlerfreunden stets gastlich geöffnet.

Kessler gelang es, Weimar zu einem Mittelpunkt geistiger Bestrebungen zu machen. Dorthin wollte er auch Hofmannsthal, als Generalintendant des Weimarer Theaters, ziehen. — Kessler war, das geht aus vielen Briefen hervor, die er dem Dichter schrieb, von Hofmannsthals Versen ehrlich begeistert, er war einer der frühesten Kenner und Bewunderer seiner dichterischen Produktion — und zugleich auch sein hellsichtigster Kritiker. In gemeinsamen Gesprächen in Weimar wurde das Szenarium des „Rosenkavaliers" entworfen und bis auf Details besprochen; Kessler schrieb das Libretto zur „Josephslegende“, die Strauss komponierte; er hatte einen bedeutenden Anteil an dem Lustspiel „Cristinas Heimreise“ und wurde nicht müde in seinen Anstrengungen, eine Verbindung Hofmannsthals zu Serge de Diaghilew und dessen „Ballets Russes“ herzustellen. Aber Hofmannsthal hat wahrscheinlich keine der Pariser Aufführungen des russischen Balletts gesehen. Eine Zusammenarbeit zwischen ihm und Diaghilew hätte wohl zu interessanten Ergebnissen führen können. So blieb es bei der Verbindung zu den Bühnenbildnern Bakst und Gordon Craig, die Kessler herstellte. Sie wurde zugleich auch die Ursache einer tiefen und langwährenden Verstimmung zwischen dem überaus aktiven und initiativen Grafen und dem österreichischen Dichter.

Im Jahre 1905 hatte Kessler den französischen Bildhauer Maillol kennengelernt, mit dem er bis zu seinem Tod befreundet war. Im Mai 1908 unternahmen beide mit Hofmannsthal eine Reise nach Griechenland, die Hofmannsthal aber nach elf Tagen abbrach. Daß er Griechenland „fluchtartig verlassen“ hat, weil, was er dort sah, angeblich so gar nicht seiner Vorstellung entsprach, nämlich der eines zweiten Italien, können wir nicht so recht glauben. Jedenfalls danken wir dieser Reise die unübertrefflich schöne Prosa der „Augenblicke in Griechenland“, die Hofmannsthal später veröffentlichte. Dieser Briefwechsel, dessen Personenregister mehr als 20 Seiten umfaßt und uns Einblick in ein dichtes Gewebe menschlicher und künstlerischer Beziehungen gewährt, ist ein wichtiger Beitrag ziur Kulturgeschichte der ersten drei Jahrzehnte unseres Jahrhunderts, als „Europa“ nicht Programm und Postulat, sondern noch natürliche Lebensform für Künstler und Kunstliebhaber war.

Der jungen Generation wird diese „Welt van gestern“ vielleicht irreal, ja phantastisch Vorkommen — und doch sollte sie sich mit ihr mehr beschäftigen, um Maßstäbe zu finden. Nicht zufällig wurde diese wichtige Korrespondenz in Paris bearbeitet und kommentiert. Dort waren nämlich jene künstlerischen Bestrebungen zentriert, für die Graf Kessler Hofmannsthal gewinnen wollte.

Hugo von Hofmannsthal — Harry Graf Kessler. Briefwechsel 1898 bis 1929. Herausgegeben von Hilde Burger. Insel-Verlag. 604 Seiten.

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