ganz dicht

Poetische Sprachbehausung & dichterische Durchdringung

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„ganz dicht“ stellt jeweils vor einem Dicht-Fest in der Alten Schmiede (nächstes: 15.2.2024) Lyrik vor.

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„ganz dicht“ stellt jeweils vor einem Dicht-Fest in der Alten Schmiede (nächstes: 15.2.2024) Lyrik vor.

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Die Fragen, was ein Zuhause eigentlich ist oder wie ein Ort beschaffen sein muss, damit man ihn als ein solches wahrnimmt und bezeichnet, sind Grundthemen im neuen Gedichtband „Zweckbau für Ziegen“ von Angelika Rainer, der in drei Kapitel geteilt ist. Prosasätze wie „Eine Behausung lässt sich auch mit Worten errichten.“ und „Sätze schaffen ein Dach über dem Kopf.“ stellen im ersten Kapitel einen Rahmen her.

Das zweite Kapitel besteht aus 60 längeren Prosagedichten ohne Endreime, aber mit Assonanzen und Alliterationskaskaden: „Zwischen Zitterpalmen hat der Zirkus seine Zelte aufgeschlagen“. Die intensivsten Atmosphären schaffen die Gedichte jedoch durch das Ineinandergreifen der Phänomene Natur und Mensch und durch die wortwörtliche Durchlässigkeit ihrer ambivalenten Beziehung. Die dadurch entstehenden Existenzängste führen zu poetisch-philosophischen Texten, die in ihrer Stille und ihrem Tiefgang mit teilweise erzählerischem Gestus überzeugen und sich unter die Haut schreiben. Die Bildhaftigkeit an manchen Stellen ist überraschend und eindrücklich: „Ohne Wind wäre der Reiher / Teil der festen Landschaft geworden.“

Das dritte Kapitel schließt den Rahmen in Prosa und beginnt mit dem Satz: „Es war eine Ziege, die als erstes ungeflügeltes Lebewesen in den Himmel auffuhr.“

Im neuen Gedichtband „Unter elektrischen Monden“ von Thomas Ballhausen ist ein spannungsgeladenes Aufeinandertreffen poetischer Substanzen auf unterschiedlichen Ebenen zu beobachten. Heißt es doch schon im ersten Gedicht „Boltzmann Brain“: „Punch and Judy in Platos Höhle / Sondervorstellung, gut besucht“. Und, um beim Begriff „Substanz“ zu bleiben, heißt es weiter: „Schatten beobachtend, abgelenkt und entkoppelt / eine gelinderte Auszeit von allem mit / 500 mg Orpheus forte“.

Der Gedichtband ist in sechs Kapitel eingeteilt. Die Kapitel fünf und sechs versammeln Texte, die im Blocksatz gesetzt, mit allen Unsicherheiten einer definitorisch eindeutigen Abgrenzung, als poetische Prosa oder Prosagedichte bezeichnet werden können.

Auf einer motivisch inhaltlichen Ebene sind Begrifflichkeiten wie Erkenntnis, Krieg, Beschädigung, Verletzung, Einsamkeit, Musik, Digitalisierung und eine Mischung von konkreten und individuellen Befindlichkeiten einerseits und abstrakten, reflexiven, poetologischen oder stark theoretisch anklingenden Verweisen andererseits wahrzunehmen. Literatur, Film, Antike, Pop dienen dabei als schöpferisches Reservoir dieser offenen und feinsinnigen Sprachforschungsreise. Wie heißt es in dem Gedicht mit dem Titel „Satz vom Grund“: „mein Himmel ist voller Erde“.

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