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Kroryuwel der Musiktradition

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Von den über 100 Klavierbaufirmen, die es in der Zeit der Wiener Klassik gab, hat gerade die Firma Bösendorfer überlebt. Der Markt ist seit der Gründung der Firma im Sterbejahr Schuberts 1828 völlig anders. Die Bilanzen der letzten Jahre sind düster; die Zahl der verkauften Klaviere wie auch die Anzahl der Beschäftigten sind stetig zurückgegangen.

Einen neuen Anschlag auf dem Flügel gab es in den letzten Monaten: gute Verkaufszahlen, Arbeit für neue Angestellte, die Entwicklung einer neuen Corporate Identity, eine neu aufgebaute Öffentlichkeitsarbeit sind die Folge. Seit kurzem bezieht ein kleiner Kreis von Interessenten die Firmenzeitung, in der neben Klassik-Pianisten auch Chick Corea und Boland Batik ihre Liebe zum Bösendorfer dokumentieren. Zehn bis 15 Prozent der Einnahmen machen Verleih und Service aus, bei jener Firma, bei der man - wie's in der Branche heißt - „immer und egal für welchen Raum ein Klavier ausleihen kann”. Es gäbe nicht „die” Verkaufsstrategie für ein Produkt, das aus seinem Mythos Verkauf bar -keit schlagen soll, sondern nur viele Kleinigkeiten, sagt der neue Geschäftsführer.

Was prädestiniert den 70jährigen Kenneth Blum, seit Dezember an jazzige Klavierspielen, die interna-der Spitze der Firma Bösendorfer, tionale Managerkarriere, die Ehe für die Sanierung des Betriebs: das mit einer Pianistin, die Erfahrungen in der Diplomatie? Als Grund, einen Bösendorfer zu kaufen, nennt Blum die Exklusivität, den hohen Preis, das Prestige und den Klang. „Mit einem Bösendorfer kauft man auch einen Teil von Wien.” Aber eine Marktstudie über die Käufermotivation existiert noch nicht. „Wann kauft man einen Rolls Royce?” vergleicht Blum das Klavier der Klaviere mit dem Auto der Autos.

Die historische Verbindung zwischen Komponisten und Klavierbauern, wie man sie seit Ludwig Bösendorfer kennt, besteht noch immer. „Aber über die Anregungen, die wir von den Zeitgenossen jetzt erfahren, kann ich leider nicht sprechen.”

Wo hat die Innovation im Unternehmen der Klavier gewordenen Traditionen ihren Platz und ihre Grenzen? Der elektronisch gesteuerte Computer-Flügel Bösen-dorfer-Ampico - der geisterhaft und spielerlos erklingt - sei eine gute Studiermöglichkeit, aber gerade in Wien habe er nur eine beschränkte Käuferschicht, sagt Blum. Die Form bleibt von der Innovation unangetastet, modernes Styling - wie der Hollein-Flügel - seien singulare Erscheinungen. Blum baut seine Serien in den Modellen Johann Strauß, Ba-roque, in Rosenholz oder Chippendale.

Bei den Materialien tauschte man Tropenholz gegen heimische Hölzer aus, verzichtet auf Elfenbein. Billige Materialien - wie sie der US-Mutterkonzern aus Mexiko vorschlug - wurden probiert und für schlecht befunden. „Die Qualität -Klang, Schönheit, Haltbarkeit - muß bleiben.” Die Differenzen mit der Mutterfirma Kimball sind weniger kraß als kolportiert. „Wir haben freie Hand.”

Seine Sponsoren-Tätig-keit möchte Bösendorfer auf gute junge Künstler ausdehnen. Neben den Klavier-Preisen für den Bösendorfer- und den Beethoven-Wettbewerb gibt es Stipendien in der Höhe von 10.000 Schilling für die besten Studenten der Musiklehrinstitutionen. „Manche glauben, der Staat zahlt uns etwas”, bezieht sich Blum auf den Beitrag Bösendorfers zum Österreich-Image. „Wir sind das Kronjuwel der Musiktradition” und „Wien ist für Kultur immer noch perfekt.”

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