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Ein Freund der Künste

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Das technische Niveau des Spiels der hervorragendsten Pianisten aus aller Welt hat einen Grad erreicht, der kaum mehr zu überbieten ist. Sterne am Virtuosenhimimel der Vergangenheit wie Liszt, Chopin, Rubinstein oder Bülow können getrost als Maßstab der Perfektion heutiger Klavierweltgrößen herangezogen werden. Aber auch der Instrumentenbau hat eine ungeahnte, in den Erzeugnissen bedeutender Welt-Armen sich widerspiegelnde Vollendung erreicht, und zu den in erster Reihe stehenden Fabrikaten des Klavierbaues zählen die Bösendorfer-Flügel, die heute in den Konzertsälen der ganzen Welt zu finden sind. Der Erinnerung an den Mann, dessen Lebenswerk ihn zu einer internationalen Berühmtheit als Klavierbauer machte, sei der folgende Artikel gewidmet.

Ludwig Bösendorfer wurde am 10. April 1835 als Sohn des eine Klavierwerkstätte in Wien betreibenden Ignaz Bösendorfer geboren und vom Vater zum Berufsnachfolger bestimmt, nachdem er 1850 bis 1852 mit bestem Erfolg die kommerzielle und technische Abteilung des k. k. Polytechnischen Institutes besucht hatte. Nach dem Tod Ignaz Bösendorfers im Jahre 1859 übernahm der junge Ludwig den Betrieb und verlegte ihn von der Josefstadt nach Neuwien Nr. 377, der heutigen Türkenstraße; um den immer mehr anwachsenden Aufträgen nachzukommen, entschloß sich der ständig an Verbesserungen arbeitende Meister, mit der Fabrik in die Karolygasse, die heutige Starhemberggasse, zu übersiedeln, gleichzeitig eröffnete er ein Verkaufslokal und ein Büro im Palais Liechtenstein in der Herrengasse. Bösendorfer, zeitlebens ein großer Pferdeliebhaber, besuchte häufig die in dem Gebäude befindliche fürstliche Reitschule, wobei ihm die merkwürdig klare Zurückwerfung des Schalles auffiel. Eingehende, dieses Phänomen betreffende Untersuchungen ließen in Bösendorfer den Plan zur Umwandlung der Reitschule in einen Konzertsaal entstehen, der nach langwierigen Unterhandlungen zur Verwirklichung und Eröffnung des Saales am 19. November 1872 führte. Mehr als 40 Jahre war der Bösendorfer-Saal auf Grund seiner hervorragenden Akustik die beliebteste Konzertstätte Wiens, in der die bedeutendsten Vertreter der Instrumental-, Gesang- und Kammermusikkunst in mehr als 4500 Abenden auftraten. Es seien hier nur Namen von Größen wie Liszt, Rubinstein, Paderewsky, d'Albert, Sarasate, Burmeester, Hubermann, Lilly Lehmann, Amalia Materna, Messchaert, Reichmann, Winkelmann, das Joachim-, Rose- und Fitznerquartett genannt. Die 1913 beschlossene Demolierung des Hauses Herrengasse 6 bedeutete das Ende des Bösehdorfer-Saales: Am 28., 29., 30. April und 2. 'Mai 1913 öffnete er zum letzten Male seine Pforten für zwei Lieder-, einen Klavier- und einen Kaimmermusik-abend.

Den Großen im Reich der Kunst war Bösendorfer ein klug beratender Freund, den Jüngeren stand er helfend und fördernd zur Seite. Liszt und Rubinstein begleitete er oft auf ihren Reisen, die nötigen Konzertflügel mitführend; sein Gesuch, einen besonderen Bösendorfer-Salonwagen mit Klavier- und Schlafzimmer für die reisenden Künstler herstellen zu dürfen, wurde von der Generaldirektion der Staatsbahnen abgewiesen. Als Privatmann war Bösendorfer eine überaus populäre Persönlichkeit Wiens. In seinen freien Stunden huldigte er eifrig dem Pferde- und Fahrsport und an schönen Frühlingsmorgen konnte man ihn oft im Prater kutschierend antreffen. In sein Büro fuhr er aber in einem „Einspänner“ zurück, weil es sich nach seiner Ansicht nicht paßte, daß ein „Klaviermacher wie ein Kavalier in der Stadt herumkutschierte“. Seine geliebten Schimmel nahm er auch alljährlich nach Ischl mit, wo er Dezennien hindurch im Hotel Post seine Ferien verbrachte und ihn jedes Kind kannte.

Wie schnell die Fabrik Bösendorfers durch die hervorragende Qualität ihrer Erzeugnisse bekannt wurde und zu einer ständigen Vergrößerung ihres Betriebes führte, beweist die Tatsache, daß Bösendorfer schon

1869 dem in der Gesellschaft der Musikfreunde untergebrachten Konservatorium 14 Klaviere schenken und

1870 den von da an alljährlich zur Verleihung kommenden „Prämienflügel“ für den Besten der Klavier-Abiturientenklasse spenden konnte. Für die Qualität der Klaviere zeugten viele erste Preise, darunter die auf den Weltausstellungen in London, Paris und Wien. Bösendorfer, der sich auch nach der Verleihung des damals hoch gewerteten Kom-merzialratstitels immer noch als einfacher „Klaviermacher“ bezeichnete, wurden höchste in- und ausländische Ordensauszeichnungen verliehen ; aber viel mehr als diese schätzte er die ihn besonders ehrende Ernennung zum Ehrenmitglied der Gesellschaft der Musikfreunde. In unermüdlicher Tätigkeit kümerte er sich um die einzelnen Arbeitsvorgänge in seinem Betrieb und dessen Modernisierung. Bei allem sozialen Verständnis für seine Arbeiter und ihre von ihm als berechtigt anerkannte gute Entlohnung hielt er auf strenge Ordnung und Genauigkeit, worauf er in gedruckten Anschlägen in der Fabrik hinwies.

1909 zog sich der damals Vierundsiebzig jährige ins Privatleben zurück und übergab die Firma in die Hände Carl Hutterstrassers. Nach dem Ableben seiner dritten Gattin, Henriette Latinovicz de Borsod, im Jahr 1906 fühlte sich der alte Mann immer mehr vereinsamt, die Demolierung seines Bösendorfer-Saales konnte er nie ganz verwinden, die traurigen Begleitumstände des Weltkrieges und der 1918 erfolgte Tod seiner Stieftochter Leonie, der Gattin Alexander Girardis, zehrten an seiner immer mehr schwindenden Lebenskraft: Am 9. Mai 1919 verlosch sie nach einem arbeitsreichen Dasein. Die Leiche wurde — einem testamentarisch festgelegten Willen zufolge — auf einem Klaviertransport-wagen nach dem Zentralfriedhof gebracht, Parten, Blumen und Grabreden hatte sich Bösendorfer verbeten, die Nachricht von seinem Tode durfte erst nach der Beerdigung bekanntgegeben werden. Wie er in seinem ganzen Leben der einfache „Klaviermacher“ gewesen war, so einfach hatte er auch für seinen Abschied von der Welt als einer der letzten und besten Vertreter bodenständigen Wienertums gesorgt. Was unsere großen heimischen Tonsetzer, ein Haydn, Mozart oder Schubert für Österreichs Ansehen als ein erstes Musikland der Welt erwirkten, was die Wiener Philharmoniker als beste musikalische Diplomaten für Österreichs internationale Anerkennung in künstlerischer Hinsicht erreichten, das vollbrachte auf dem Gebiet des Klavierbaues Ludwig Bösendorfer.

Ein Einblick -in den jetzt in eine Aktiengesellschaft umgewandelten Betrieb der den Namen „Bösendorfer“ führenden Fabrik zeigt, daß die einmalige Tonqualität der hier erzeugten Instrumente, ihre Kraft und ihre Anschlagspräzision auf den als Kunst zu bezeichnenden Bau der Flügel und auf ihre zum großen Teil mit Handarbeit vorgenommene Anfertigung zurückzuführen sind. Die aus mehr als 150 Personen bestehende Belegschaft hat die rühmlich bekannte Qualität der Klaviere nicht nur erhalten, sondern auch noch verbessern können: Daher das große Ansehen der „Bösendorfer“, die zu 90 Prozent ins Aualand geliefert werden. Der Verfasser dieses Artikels hatte Gelegenheit, mit Pianisten von Weltruf über die von ihnen gespielten Klaviere zu sprechen. Alle waren sich darüber einig, daß die „Bösendorfer“ in allen Erdteilen zu den hervorragendsten und am häufigsten verwendeten Konzertflügeln zählen.

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