6786909-1970_17_10.jpg
Digital In Arbeit

Klaviermacher und Mazen

19451960198020002020

Als Beethoven sein Streichquartett Opus 135 komponierte, schrieb er unter dem Eindruck bitterer Erlebnisse über den letzten Satz die Worte: „Der schwergefaßte Entschluß“. Zu Beginn wirft das Cello in tiefem Moll immer wieder die Frage auf: „Muß es sein?“, bis dann endlich nach innerem Widerstreben in hellem Dur entschieden und klar die Antwort folgt: „Es muß sein!“ Dieses Werk leitete auch das denkwürdige Konzert ein, mit welchem das Rosee-Quartett im Mai 1913 vom berühmten Bösendorfer-Saal in Wien für immer Abschied genommen hat. Auch im politischen Leben der Monarchie ging es in diesen Jahren, die Fred Hennings uns wieder so lebendig und reizvoll vor Augen führt, um wichtige Entscheidungen und Veränderungen. Der im Mai erscheinende vierte Band der Serie „So lange er lebte“ (Herold-Verlag, Wien-München), erzählt von der Berufung Conrad von Hötzendorfs als Chef des Generalstabes, seiner wechselvollen Beziehung zum Kaiser und zum Thronfolger, seinem Konflikt mit Aehrenthal, aber auch vom Aufstieg und Wirken des Klavierfabrikanten Ludwig Bösendorfer sowie vom Bau des Kriegsministeriums am Stubenring und von der Entlarvung des Spions Redl — ein figuren- und szenenreiches Vorspiel zur Tragödie, die 1914 begann.

19451960198020002020

Als Beethoven sein Streichquartett Opus 135 komponierte, schrieb er unter dem Eindruck bitterer Erlebnisse über den letzten Satz die Worte: „Der schwergefaßte Entschluß“. Zu Beginn wirft das Cello in tiefem Moll immer wieder die Frage auf: „Muß es sein?“, bis dann endlich nach innerem Widerstreben in hellem Dur entschieden und klar die Antwort folgt: „Es muß sein!“ Dieses Werk leitete auch das denkwürdige Konzert ein, mit welchem das Rosee-Quartett im Mai 1913 vom berühmten Bösendorfer-Saal in Wien für immer Abschied genommen hat. Auch im politischen Leben der Monarchie ging es in diesen Jahren, die Fred Hennings uns wieder so lebendig und reizvoll vor Augen führt, um wichtige Entscheidungen und Veränderungen. Der im Mai erscheinende vierte Band der Serie „So lange er lebte“ (Herold-Verlag, Wien-München), erzählt von der Berufung Conrad von Hötzendorfs als Chef des Generalstabes, seiner wechselvollen Beziehung zum Kaiser und zum Thronfolger, seinem Konflikt mit Aehrenthal, aber auch vom Aufstieg und Wirken des Klavierfabrikanten Ludwig Bösendorfer sowie vom Bau des Kriegsministeriums am Stubenring und von der Entlarvung des Spions Redl — ein figuren- und szenenreiches Vorspiel zur Tragödie, die 1914 begann.

Werbung
Werbung
Werbung

Durch vieles Hören und Vergleichen hatten sich Bösendorfers Ohr und kritischer Blick immer mehr geschärft. Genauso unerbittlich wie er an seinen eigenen Instrumenten jeglichen Fehler aufspürte, entging ihm auch am Künstler nicht die leiseste wunde Stelle.

„Neben seinen Klavieren liebte er“ — wie es in der Festschrift „Hundert Jahre Bösendorfer“ heißt — „nichts so sehr als die Musik selbst und die Künstler, die sich dem Klavier gewidmet hatten, und beiden hat er unendlich viele Dienste geleistet. Den Großen im Reiche der Kunst war er ein klug beratender Freund, den Jüngeren stand er helfend und fördernd zur Seite, und manchem, der später Weltruhm erntete, hat dieser warmherzige Mann dornenvolle Wege geebnet. Eine besondere Erwähnung verdienen seine Beziehungen zur Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. Als das heutige Musikvereinsgebäude mit den zwei berühmten Konzertsälen 1869 fertiggestellt war, widmete Ludwig Bösendorfer dem Konservatorium der Gesellschaft 14 neue Flügel seiner Erzeugung. Bösendorfer bewies auch fernerhin dem Konservatorium seine Gunst und Opferfreudigkeit durch Zuwendung weiterer Klaviere; er stiftete auch ein alljährliches Klavierprämium für den tüchtigsten Abiturienten im Klavierfache und ließ sich die Instandhaltung und Ausbesserung der Schulklaviere angelegen sein.“

Die Direktion der Gesellschaft der Musikfreunde bezeugte ihm ihren Dank, indem sie ihn anläßlich der Fertigstellung des Hauses zum Ehrenmitglied der Gesellschaft ernannte. Später — 1878 — wurde er auch in die Direktion selbst berufen, welche Stellung er bis zu seinem Tode innehatte. Einige Monate vor seinem Ableben schrieb er noch: „Meine wichtigste Stütze im Leben und Beruf war stets die Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, wofür ich innigsten Dank fühle und schulde.“

Bösendorfer war im Grunde ein Einzelgänger und führte trotz seiner beiden glücklichen Ehen nie ein richtiges Haus. Auch legte er keinen Wert auf die Ausstattung seiner Privatwohnung, verbrachte er doch den größten Teil seines Lebens in seiner Fabrik und in seinem Konzertsaal. Als eifriger Sportsmann und Rennstallbesitzer sah man ihn regelmäßig im Prater und am Turf. Auch auf das Essen legte er im Gegensatz zu den Vermögenden seiner Zeit keinerlei Wert. „Mehr als amol Mittagessen kann i net!“ war einer seiner beliebten Aussprüche. Sein eigentlicher Empfangssalon war der nach ihm benannte Konzertsaal in der Herrengasse Nr. 6. Dort und im Kreise seiner Klaviere fühlte er sich am wohlsten.

„Ludwig Bösendorfer, der Klaviermacher, Kunstmäzen und Sportfreund, war“ — wie Carl Laflte bemerkt — „eine der populärsten Gestalten des früheren Wien, Zeit- und Altersgenosse einer merkwürdigen Generation hochbetagter Männer von unverwüstlicher Lebenskraft, die auch ungefähr gleichzeitig von der Bühne des Lebens abtraten: Karl Goldmark, Bernhard Baumeister, Karl Blasel und Ludwig Lobmeyer gehörten zu diesem Kreis. Bösendorfer war ein Mann von kaustischem Witz und wienerisch treffender Satire. In ihm waren Güte und Strenge, tiefes Verstehen und Humor, Freizügigkeit und Bescheidenheit, Arbeitsfanatismus und Genießertum wunderbar vereinigt. In diesem Manne mit der betont originellen Außenseite, dem immer unbestechlichen Gerechtigkeitssinn und dem oft recht rauhen Tonfall eignete auch eine milde Seite: die Liebe zur Musik.

Sie war es, die aus dem einfachen Klaviermacher — er selbst duldete zeitlebens keine andere Bezeichnung — einen Mann schuf, dem es nicht darauf ankam, dauerhafte Fabrikware herzustellen, sondern der jedem einzelnen Instrument, das aus seinen Händen hervorging, etwas von sedner Eigenart, seinem individuellen Wesen, seinem persönlichen Stil einzuhauchen bestrebt war. Seine Klaviere, das waren seine Kinder, die er liebte und hätschelte, über die er nichts kommen ließ und über deren Wohlfahrt er eifrig und auch eifersüchtig wachte. Im Leben draußen war er der Kavalier und wenn es nottat auch der Diplomat. In der Fabrik aber war er der Familienvater Menschen und Objekten gegenüber: da war er groß, weil er er selber war.“

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung