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So ein Theater!

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„So ein Theater!“ ist das Motto, unter dem Otto B r e i c h a für seine „Protokolle 70“ (im Verlag „Jugend & Volk“, Wien-MUnchen) neuestes aus dem neuen Theater, dazu etliche wichtige, bisher unveröffentlichte Texte, graphische Arbeiten, Collagen, Photomaterial zu einer originellrepräsentativen Dokumentation österreichischer Kunstszene zusammengestellt hat. Neu daran: Es ist der erste an die 180 Seiten starke Halbjahresband; im Herbst folgt ein zweiter, in dem unter anderem Arbeiten der Haus-Rucker-Co, Bruno Gironcolis, György Ligetis protokolliert und analysiert werden.

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„So ein Theater!“ ist das Motto, unter dem Otto B r e i c h a für seine „Protokolle 70“ (im Verlag „Jugend & Volk“, Wien-MUnchen) neuestes aus dem neuen Theater, dazu etliche wichtige, bisher unveröffentlichte Texte, graphische Arbeiten, Collagen, Photomaterial zu einer originellrepräsentativen Dokumentation österreichischer Kunstszene zusammengestellt hat. Neu daran: Es ist der erste an die 180 Seiten starke Halbjahresband; im Herbst folgt ein zweiter, in dem unter anderem Arbeiten der Haus-Rucker-Co, Bruno Gironcolis, György Ligetis protokolliert und analysiert werden.

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Vor allem der tagtäglichen „Bühnenkonfektion“, die in ihrer „Anmaßung zeitgenössischer Relevanz stagniert“, mit dem Nachdruck auf „So — ein Theater!“, etwas total Andersartiges, Aggressives gegenüberzustellen, ist Breicha und seinen Mitarbeitern glänzend gelungen. Es ist Theater im weitesten Sinn, das durch kühn konzipierte Metamorphosen geführt wird. Gesteuert, collagiert, verfremdet, umfunktioniert von Autoren wie Marc Adrian, H. C. Artmann, Wolfgang Bauer, Konrad Bayer, Rüdiger Engerth, Peter Handke, Roman Haubenstock-Ramati, Ernst Jandl, Elfriede Jelinek, Peter Matejka, Otto Mühl, Arnulf Rainer, Karlheinz Roschitz, Gerhard Rühm, Michael Scharang, Gottfried Schlemmer, Hannes Schneider u. a. Es ist eine sehr bunte Revue seriös-tief- und komödiantisch-abgründiger Avantgarde, die mehr will und sucht, als nur einen Anlaß, „dekoratives Talent äußerin zu führen“. Was all die Libretto-Erstdrucke, Bestandsaufnahmen wichtiger, von der Öffentlichkeit geflissentlich ignorierter Aktionen, die Elaborate und Analysen verbindet, oder zumindest viele

von ihnen zu einem Gedankengebäude zusammenrückt, ist der Wille ihrer Autoren, abgenützte Sprache und verbrauchten Gestus in neue Beziehungen und in neue Spannungsfelder zu rücken, ihnen neue Beziehungen, neue Zusammenhängen abzugewinnen. Diese Protokolle sind vor allem — wie Alfred Kolleritsch es formulierte — „eine Kampfansage an das Österreich, für das die Kunst Vergangenheit oder gegenwärtiges Hungerleiden ist“, eine Kampfansage an die, die jüngere Literatur hierzulande als Außenseiter konsequent „überhört, vergessen, verfolgt“ haben. Sie bestätigen wieder einmal, daß es immer wieder „private Fanatiker sind, die es dem österreichischen Staat ersparen, sich, was Kunst betrifft, zu blamieren“. Resümee: Die vier Jahrgänge der Protokolle sind längst etwas Unersetzliches geworden. Wenn sie erst einmal vergriffen sind und zu Höchstpreisen gehandelt werden, wird man sie als goldene „Denkpflaster“ sensibler Autoren verherrlichen, die die Öffentlichkeit hinsichtlich österreichischer Literatur in lebenswichtige Unruhe versetzt haben.

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