6664263-1960_24_02.jpg
Digital In Arbeit

EIN RUSSISCHER DICHTER ...

Werbung
Werbung
Werbung

In diesem Frühsommer, der nach dem Scheitern der Pariser Konferenz so manche politische Hitzewelle entlud, ist, fern dieser Welt und ihr todwund verbunden, in Moskau Boris Pasternak gestorben. Die sowjetische Nachrichtenagentur TASS meldete seinen Tod mit einer Kurznachricht von sieben Zeilen, liberale Blätter des Westens nahmen sein Ableben zum Anlaß von Leitartikeln über „das andere Rußland“ und stellten das Rußland der Dichter und Denker ä la Pasternak dem Rußland Chruschtschows gegenüber. Der „Osservatore Romano“ rühmte die tiefe Gläubigkeit dieses russischen Juden, der zu seiner russischen orthodoxen Kirche gefunden hatte, und die Presse der kommunistischen Länder und Parteien lieferte Kabinettstücke im Verschweigen, im zagen Loben, im kunstvollen Behandeln des für sie delikaten, wenn nicht peinlichen „Gegenstandes“.

Immerhin, dies eine ist nicht ganz gering zu erachten: hier und heute stand nicht mehr, wie vor wenigen Jahren, ein politisches Skandalon zur Debatte, nachdem die Sowjets Pasternak gezwungen hatten, auf die Annahme des Nobelpreises zu verzichten, sondern etwas anderes: der Mensch und der Dichter. Das ist sehr viel, wenn man heutige Usancen im Auge behält: wodurch wird „ein Mensch“ denn „interessant“ für ger wis;J'ubliklmer!x(ä& gewisse Gazetten? Durcfc eirn- ,Skan4al w dÄäikr.Wge.adtwas, w#t reizt anreizt • aufregt-;- nich-zuletzt Lau Empörung-willkommenen Anlaß gibt. Mit der viel umstrittenen Antigone hätte jedoch der Dichter Boris Pasternak sagen können: „Nicht mitzuhassen, mitzu-lieben bin ich da.“ Pasternak liebte den Menschen, und er liebte sein Land, und er liebte die Menschen seines Vaterlandes, die Russen. Die Kluft unserer Zeit ging mitten durch sein Herz. Trauer, Schmerz und eine große Dankbarkeit — für eben dieses gottgeschenkte Leben auf dieser wunden Erde — prägen die Symphonie seiner Sprache, seiner eigenen Dichtung, seiner Übersetzungen. Lange noch, wenn vieles vergangen ist, werden russische Kinder Shakespeare und Goethe aus dem Munde und dem Herzen Pasternaks, durch seine Übertragungen, erfahren, und ihn selbst dazu, in seinen Gedichten.

Inzwischen hat bereits der tote Pasternak in Osteuropa seinen offiziellen Einzug gefunden: auf der Internationalen Buchmesse in Warschau liegt sein „Dr. Schiwago“ vor; in einer französischen Übersetzung, in einem westeuropäischen Stand.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung