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Digital In Arbeit

Eine deutsche Lustbarkeit

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Zwar weiß ich nicht genau, wie Stücke-scfareiber Stücke schreiben, aber in bezug a4tr;Herbert AsmadttiiKomeäld kam idr? den- Verdacht nicnt iabschütteln, daß zwei Dinge in seiner Phantasie unumstößlich feststanden und er sich daraufhin an die Arbeit machte: der Titel und der letzte Satz. Beides ist gut und geeignet, das Ansehen deutscher Autoren zu heben, aber dazwischen liegt eine ganze Menge Text. Ich zitiere aus dem Prolog: „Das Stück ist vom Autor deklariert worden als eine spätabendländische Lustbarkeit... und heißt .Die Menschenfresser'. Es handelt von solchen und es spielt vor solchen. Diese Erklärung beabsichtigt keine Provokation. Sie drückt lediglich eine Überzeugung des Autors hinsichtlich der wahren Natur des Menschen aus.“ Der Schlußsatz lautet: „Über Gräber vorwärts!“, und Asmodi kommentiert im Programmheft: „Meine Aussage stellt ein äußerstes Entgegenkommen an die Bedürfnisse unseres Nationalcharakters dar. Sie ist leicht faßlich, zitabel, läßt sich wie ein Fluch fortvererben, auch ist sie traditionsgesättigt, abendländisch und nahezu unbegrenzt strapazierfähig wie ein Bleisarg.“

Man nennt das: Flucht nach vorn. Asmodi weist auf die moralisierende Essenz seines vorgeblich der Moral entratenden Stückes dadurch hin, daß er seine Absichten ins Lächerliche zieht. Da die meisten Dramatiker heimliche Moralisten sind und die wenigsten es sein wollen, überrascht das nicht. Die Art, wie Asmodi sich aus der Affäre zieht, ist nicht unoriginell. Aber noch einmal: zwischen Prolog und Schlußsatz liegt das Stück. Es ist angelegt als eine Demonstration „schwarzen Humors“ plus Gesellschaftssatire. Eine Kreuzung von „Revisor“, Agatha Christie und Gtand-Guignol mag dem Autor im Sinn gewesen sein. Herausgekommen ist dabei eine maßvolle Lustbarkeit. Ein Antikensammler weiht nur der Schönheit sein Leben und entpuppt sich als Massenmörder von außergewöhnlichem Gebaren: er zwingt seine Opfer — Besitzer von Antiken, die dann zur Versteigerung gelangen — zum Harakiri, indem er ihnen schreckliche Martern vorführt, die andernfalls mit ihnen angestellt würden (das Vorführobjekt ist Fakir von Beruf, aber das wissen die Opfer nicht). Sein schändlich' Tun wird entlarvt von einem scheinbar nichtsnutzigen, in Wahrheit genialischen Tausendsassa namens Peter — einem unwahrscheinlich frechen und unwahrscheinlich mutigen Sonny-boy -, der die kinodurstigen Herzen höherschlagen läßt. Das Publikum ging Asmodi auf den Leim und beklatschte Peters Heldentaten, was eine Art Rechtfertigung für den Autor darstellt, doch kaum für sein schreckliches Deutsch, das auch in England, wo sein Stück spielt, nicht erlaubt sein sollte: „Eine Ignorantin von vierzig Karat, die Herzogin...“, oder: „Demonstrationsdelihquent“ (ein Fremdwortungetüm, aber darum nicht besser).. Die Inszenierung von Robert Lössen in Bochum hielt sich !aufmittlerm Niveau terft'den Darstellern ist Klaus Steiger zu rühmen. Ein Abend ohne rechten Glanz. Komödie ist anstrengend.

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