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Eine Sommerschlacht

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Im Frühsommer begann es, und im Hochsommer erreichte die heiße Fehde ihren Höhepunkt, um nun auszustrahlen und abzuebben in zahlreiche Blätter und Blättchen, in den Ländern, in Oberbayem, in den Gauen Graubündens. In aller Ruh und Rast und Frieden seien hier die tragischen Höhe- und Wendepunkte der Schlacht festgehalten.

Ohne Arglist, ohne Hintergedanken publizierte vor einem Monat die .Furche“ einen Auszug aus einem Buche Papinis, das im kommenden Herbst im Heroldverlag erscheint. .11 libro nero“ enthält ähnlich wie die bei uns vielgelesenen .Reden Papst Cölestins VI. desselben Autors frei erfundene Gespräche, in denen Papini diesmal hart mit Gestalten unseres Zeitalters abrechnet. Die Wahl fiel bei uns nicht auf Molotow und nicht auf Hitler, sondern, da wir eine kulturpolitische Zeitschrift sind, eben auf Picasso. Wir hatten nicht mit Picassos „Freunden“ gerechnet, und nicht mit der Unvertrautheit des mitteleuropäischen Publikums mit Papini, dem „großen alten Mann’ der italienischen Literatur, über Nacht wurde das .Interview“ Picassos mit Papini zur Fahne erhoben, unter der sich alle fanden, die aus diesem und jenem Grunde ein neu’ Gefecht mit der modernen Kunst anstrebten. Verständlich, daß die pulsartig um sich greifende Aktion die .Freunde“ Picassos in Bewegung brachte. Eine schriftliche Anfrage bei Picasso, aus Graz, ergab die grollende Antwort des Meisters: nein, nein, nie habe er Papini ein Interview gewährt — aus dem herben Groll sprach aber nun nicht nur die Entrüstung des Betroffenen, sondern auch dies; Picasso selbst und seine engere Umgebung — der Brief war von einem Sekretär gezeichnet — wußten selbst nicht, daß Papinis Werk zu jenem Genre gehört, das in allen anglo-ameri- kanischen Bibliotheken schlicht und einfach .fiction“ heißt: „Erfindung“ — „Dichtung“ —’ „Romanwesen“.

Was aber nun? Da noch immer hier und dort, in diesem Land und jenem Ländchen, zu Nutz’ und Frommen, und zur Erbauung mandi-mandier Gegner der Moderne, nicht wenige Sonntags- und Wochensermone gehalten werden, die Papinis Picasso-„Interview“ als historisches Dokument für Picasso — statt für Papini — anziehen, trotz einer Reihe von Dementis, sei, vom Chronisten hier nochmals, mit spitzer Feder vermerkt: von Picasso sind ein Großteil jener Bilder, die ihm zugeschrieben werden, von Papini ist fast alles, was unter seinem Namen gedruckt wird. Mögliche Nutzanwendung für alle: den einen mehr und öfters zu besehen, den andern mehr und öfters zu lesen.

Was allein allen, Italiens, Frankreichs und Österreichs Freunden an Kultur und Gespräch nur wohl bekommen mag; auch nach diesem Sommer und seiner heißen Fehde.

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