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Neue Schönherr- Gesamtausgabe

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KARL SCHÖNHERR GESAMTAUSGABE. Erster Band: Bühnenwerke. Herausgegeben von Vinzenz K. Chiavscci. Geleitwort von Heinz Kindermann, Würdigung von Margret Dietrich, Erklärung der mundartlichen Ausdrücke, Nachwort des Herausgebers. Verlag Kremayr & Scheriau, Wien, 1967. 912 Seiten, 60 Abb. (Porträt Schönherr, Szenen- und Rollenbilder). S 215.—.

Der Band umfaßt 19 Dramen Schönherrs von der im Jahr 1900 entstandenen Tragödie „Die Bildschnitzer” bis zu dem Schauspiel „Die Fahne weht” aus dem Jahr 1937. Im Überblick erkennt man die Bedeutung dieses Dramatikers, wie sie sich uns heute darbietet. Heinz Kindermann sagt im Geleitwort, das Heimatliche stehe bei Schönherr stellvertretend für kontinental- gültige Daseinsdisharmonien, ja, für das Allgemeinmenschliche. Das ist zweifellos richtig. Und Margret Dietrich spricht in ihrer ausführlichen Würdigung des Werks, in der sie die einzelnen Stücke analysiert und Auszüge aus den Zeitungskritiken der Uraufführungen und maßgeblichen Neuaufführungen bringt, von einem Verstand, der die Realität diagnostiziert und von einem tief humanen Mitleiden, das diese Realität zu lieben aufforderte. Dennoch rückt das Zeitempfinden von Sehönherrs Welt in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr ab.

Die Vorzüge sind überaus markant. Vor allem jene Bühnenwerke, die im bäurischen, und zwar im heimischen Tirol spielen, erweisen eine psychologische Beobachtungsgabe und Beobachtungskraft, die wohl mit dem ursprünglichen Beruf dieses Dramatikers — er war bekanntlich Arzt — Zusammenhängen. Echte Dramatik erfordert Härte, jene Härte, die der Arzt sich selbst nicht selten erst abningen muß. Sehönherrs kantige, meist wortkarge Gestalten haben diese Härte, man kann aber ebenso sagen, sie seien von des Tirolers heimischem Hochgebirge her bestimmt, treten sie doch wie im vollen, klaren Sonnenlicht der Bergmatten und Firne vor uns hin. Damit ergibt sich eine Verringerung des Dargestellten auf das Wesentliche, worin man den eminenten Dramatiker erkennt, der alles nicht unbedingt Nötige mit der Axt weghackt. Die bevorzugte Verwendung, ja, Zuisammendrängung von bedeutsamen Einzelsymbolen kennzeichnet im besonderen die. Tendenz, alles möglichst zu verdichten.

Der überstarke dramatische Impuls zeigt sich in der Bedeutung, die der Handlung für die Stücke zukommt, im Erfassen des Elementaren, der Urtriefoe des Menschen und im zwingend Notwendigen, im ehern Unabwendbaren der vargeführten Geschehnisse. Jedenfalls gehört Schönherr zu den letzten Vertretern einer aufs äußerste verdichteten Dramatik, einer viele Jahrhunderte umfassenden Entwicklung, die erst in den letzten Jahrzehnten abbrach, ja, er brachte diese Entwicklung in seinen besten Stücken zu abschließender Kulmination. Das bedingt seine Bedeutung.

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