Ehrlich ambitioniert

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Seit Juni gibt es die neue österreichische Filmzeitschrift "celluloid".

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Seit Juni gibt es die neue österreichische Filmzeitschrift "celluloid".

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Filmzeitungen in Österreich sind rar gesät. Der Ruf des österreichischen Films ist - wie so vieles - im Ausland gut, in der Heimat von Kinoliebhabern unbestritten, allgemein aber zu wenig geschätzt und gefördert. Dagegen möchte die neue Filmzeitschrift celluloid ankämpfen. Schon das Cover vermittelt Anspruch: eine stehende weibliche Silhouette vor Vollmond auf existentialistischem Schwarz. "Finanziell nagt die Branche am Hungertuch. Erneute Budgetkürzungen treiben die ohnehin kleine österreichische Filmwirtschaft an den Rand des Ruins", schreibt Matthias Greuling im Editorial. Der junge Herausgeber und Chefredakteur, der schon in der furche die zwischen Hoffnung und Pessimismus hin und hergerissene filmische Lage der Nation beschrieben hat, möchte dem österreichischen und europäischen Film in seinem Magazin ein Forum geben.

Zwar mag man, wie Stefan Grissemann, Filmexperte der Presse, die These "dass dem Filmschaffen in Österreich noch immer zuwenig Aufmerksamkeit geschenkt wird" bezweifeln, Bedarf für ein anspruchsvolles Filmmedium besteht auf alle Fälle. Neben bunten, nichtssagenden Gratiswerbeblättern wie Skip fristen niveauvolle Publikationen wie das vom Medienbüro der österreichischen Bischofskonferenz herausgegebene multiMEDIA oder die Filmzeitung blimp ein Schattendasein auf dem heimischen Zeitungsmarkt. Wer sich sonst über österreichisches und internationales Filmschaffen Wissen verschaffen wollte, musste Kataloge von Festivals sammeln, sich aus Tageszeitungen und Wochenmagazinen ein Archiv anlegen oder das Internet durchforsten.

celluloid möchte der Filmkultur in Österreich trotz Sparmaßnahmen zu einer neuen Blüte verhelfen. Man mag die Tatsache, dass bis auf den Comic und den Beitrag über die "Surreale Poesie" von Clemens Stampf alle gezeichneten Texte im Heft von Greuling verfasst sind, befremdlich finden. Auch Buchtipps mit drei Fragezeichen als Preishinweis wirken nicht professionell. Die Ambition und Begeisterung für das Kino, die Liebe zu heimischen Filmschaffenden, und der heftige Wunsch, ihnen ein Podium zu geben, ist in jedem Wort spürbar. Die Titelgeschichte widmet sich aufkeimenden Talenten: Greuling hat keine alten Hasen, sondern junge österreichische Regiehoffnungen, die gerade ihren ersten abendfüllenden Spielfilm abgedreht haben, interviewt. Mit Barbara Albert, Jessica Hausner, Mirjam Unger und Virgil Widrich bat er drei Frauen und einen Mann vors Mikrophon. Auch andere Gesprächspartner lassen Anspruch und Niveau erhoffen: Grundsätzliches diskutierte Greuling mit dem seit Jahren unbestechlich verstörende, gesellschaftskritische Avantgardefilme drehenden Michael Haneke und dem Direktor der Filmakademie, Wolfgang Glück.

Reportagen, Interviews und Essays über Regisseure und Filmemacher vermitteln Hintergrundwissen. Werkbesprechungen und Analysen zu Strömungen und Trends im Film, Blicke nach Deutschland und der Schweiz sollen das Rüstzeug geben, einen Streifen einordnen, um sich langsam vom Normalverbraucher zum Wissenden entwickeln zu können. Greulings Cannes Report 2000 gibt auch Unbekannteren Raum, der mit Nikolaus Strecha verfasste Beitrag zum digitalen Kino bemüht sich, das "Making of" eines Films zu vermitteln. Besonders sympathisch die Möglichkeit für junge Kreative, sich unter "headshots", "storyboard" oder "crew" vorzustellen.

celluloid soll vierteljährlich erscheinen, eine Ausgabe mit 48 Seiten kostet 70 Schilling. Die Startauflage betrug 2.500 Stück, angepeilt werden 10.000. Ab August soll es unter www.celluloid.at auch im Internet erscheinen. Auf die zweite Ausgabe, die am 28. September erscheinen soll, kann man gespannt sein.

Celluloid. Die österreichische Filmzeitschrift. Hg. vom Verein zur Förderung des österreichischen und des europäischen Films, 2340 Mödling, Carl Zwillinggasse 32/1,. Tel. 066474625444. E-Mail: celluloid@eudoramail.comWebsite: www.celluloid.at Einzelpreis: öS 70,-/e 5,09; Jahresabonnemant (4 Ausgaben): öS 260,-/e 18,89)

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