Exhumiert und aufgelöst

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LUMUMBA - Lumumba

Patrice Lumumba, der erste Premierminister des Kongo, ist auch heute noch, 40 Jahre nach seinem gewaltsamen Tod, von symbolischer Bedeutung für die Idee eines jenseits von ethnischen Konflikten und kapitalistischer Einflussnahme geeinten Afrikas. Regisseur Raoul Peck stellt die steile politische Karriere in genau recherchierten Einstellungen dar: den Kampf um die Unabhängigkeit von der belgischen Kolonialmacht auf der einen und die Rivalitäten zwischen den politischen Führern auf der anderen Seite; die Sorge um Bürgerkrieg und einen Zerfall des Landes, das Problem aufrührerischer Soldaten. Durch die auf knapp zwei Stunden beschränkte Dauer des Dokumentarspielfilms kann auch die hier gebotene professionelle Präzision die komplexen Geschichtsverläufe nur anreißen. Spannend und thematisch anregend. Ab 14.

Rund 40 Jahre nach dem Tod von Patrice Lumumba, dem ersten Premierminister des Kongo, sorgte eine historische Arbeit nochmals für eine kleine Bewegung in der belgischen Politik. Der Historiker Ludo de Witte hatte nachgewiesen, dass die Belgier damals nicht machtlos zusehen mussten, wie Lumumba in die Hände seines Erzfeindes geriet, sondern dass sie an dessen Ermordung unmittelbar beteiligt waren. Der Dokumentarspielfilm Raoul Pecks hat so auch eine spezifische Aktualität, abgesehen von den grausamen Konstanten der mittelafrikanischen Politik: verfeindete Volksgruppen, deren Rivalitäten von internationalen Konzernen und Nationen angestachelt und finanziert werden.

Die Bezüge zu aktuellen Ereignissen, wie etwa zum derzeit tobenden "ersten afrikanischen Weltkrieg" (Madeleine Albright), werden jedoch nicht explizit gemacht. Abgesehen von einigen Bildmontagen des Vorspanns, in denen Photographien der früheren Kolonialzeit mit Bildern einer von Mobutu veranstalteten Party abwechseln, versucht Peck das Allgemeine der damaligen Situation ganz aus dem Portrait Lumumbas herauszuarbeiten. Er beginnt gleich mit dem grausigen Abschluss des irdischen Daseins des begnadeten Rhetorikers und Visionärs: die Leichen von Lumumba und zwei seiner Mitarbeiter wurden exhumiert, zersägt und in Säure aufgelöst - so sehr fürchteten die belgischen Kolonialisten die Wahrheit und waren um die Vertuschung des Mordes bemüht. Wie konnte ein Mann auch tot noch soviel Angst machen? Dieser von Lumumba selbst aus dem Off gestellten Frage geht der Film im weiteren Verlauf nach und nutzt dabei auf hohem technischem Niveau die formalen Mittel des Genres.

Lumumba wird auf markanten Stationen seiner politischen Karriere begleitet: Seine plötzliche und unerwartete Verwandlung vom politischen Häftling zum wichtigen Teilnehmer einer Konferenz, die in Brüssel über die Unabhängigkeit des Kongo abgehalten wurde; seine berühmte Rede am Tag der Unabhängigkeit, wo er auf der offiziellen Feier ungefragt das Mikrophon ergriff und den Kolonialismus als Unterdrückung und die politische Veränderung unmittelbar als Folge eines Kampfes präsentierte - ganz im Gegensatz zu den Ansprachen des belgischen Königs und des Präsidenten des Kongos, welche die Unabhängigkeit als Krönung des langen zivilisatorischen Engagements der Belgier dargestellt hatten. Die Zeit des Hausarrests, umstellt von zweierlei Truppen, ein innerer Ring, von UNO-Soldaten gebildet, um ihn zu schützen, und ein weiterer Ring der Männer Mobutus, die ihn festnehmen wollen. Seine Flucht. Das grausame Ende.

In den für die äußerst komplexen Zusammenhänge recht knappen zwei Stunden geht zwar manches unter, auf das zum Verständnis der Situation eigentlich ein expliziter Verweis nötig wäre, wie zum Beispiel dass Lumumbas MNC die einzige Partei war, die Mitglieder in allen Ethnien und Provinzen hatte. Aber auch hier finden sich zumindest korrekte Andeutungen. Cai Mosich

DR Kongo/Frankreich/Belgien, 2000 - Produktion: - Produzent: Jaques Bidou - Verleih: Cinematograph - Länge: 110 Min. - Regie: Raoul Peck - Buch: Raoul Peck, Pascal Bonitzer - Kamera: Bernard Lutic - Schnitt: Jaques Comets - Musik: Jean-Claude Petit - Darsteller: Eriq Ebouaney, Alex Descas, Théophile Moussa Sowié, Maka Kotto - BBWK: nicht eingereicht - Prädikat: nicht eingereicht

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