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Der erste Frühling

Grimme-Preisträger Michael Gutmann, bekannt für feinfühlige Teenager-Filme wie "Crazy" und "Nach fünf im Urwald" erzählt mit "Herz im Kopf" eine Geschichte, die auf den Tagebüchern seiner Frau Anna beruht. Jakob (Tom Schilling) hat nach dem Tod seiner Mutter die Schule geschmissen und flieht zu seiner Schwester Petra (Anna von Berg) nach Berlin. Diese, hochschwanger und bereits Mutter eines achtjährigen Sohnes, hat jedoch mit den eigenen privaten und finanziellen Sorgen zu kämpfen und kann sich kaum um ihren heranwachsenden Bruder kümmern. Schließlich verliebt sich Jakob auch noch in das hübsche polnische Au-Pair Mädchen Wanda, das sich um Kinder und Haushalt von Jakobs ehemaliger Lehrerin kümmert, und mit der er die erste große Liebe erlebt.

Regisseur Gutmann erzählt in feinfühligen und zurückhaltenden Bildern eine Teenager-Geschichte, die ohne "American Pie"-Klischee und seichte Späße auskommt. Seine Stärke erhält der Film vor allem durch ein tiefgründiges und humorvolles Drehbuch, sowie durch die Präsenz seiner Darsteller. Der 20-jährige Tom Schilling zeigt mit Jakob eine sensible und verletzliche Persönlichkeit, die alle Höhen und Tiefen des Erwachsenwerdens durchlebt.

Eine sehenswerte Romanze über die Flucht vor dem Erwachsenwerden, den alltäglichen Problemen eines jungen Menschen und die erste große Liebe.

Sandra Wobrazek

HERZ IM KOPF. Deutschland 2002, Regie: Michael Gutmann. Mit Tom Schilling, Alicja Bachleda-Curus, Anna von Berg. Verleih: Constantin. 88 Min.

Alles inklusive

Roland Düringer spielt in "Poppitz" (ein Harald Sicheritz-Film) den Autoverkäufer Garry Schartl, der in der Firma auch die Nummer 1 sein will, nachdem der Chef das Zeitliche gesegnet haben wird. Zu diesem Zweck unterstützt er den unfähigen Juniorchef Bertram Klingelmaier (Alfred Dorfer). Doch der Alte stirbt zu einem ungünstigen Zeitpunkt, nämlich just dann, wenn Garry mit seiner Frau Lena (Marie Bäumer spielt wie bereits in "Der Schuh des Manitu" eine glänzende Rolle) und seiner gerade pubertierenden Tochter Patrizia (Nora Heschl) in Urlaub fahren will. Im All-Inclusive-Club, wo er mit seiner Familie und seinen Karrieresorgen die Ferien verbringt, trifft Wiener Schmäh auf disziplinierte aber ständig nörgelnde "Piefkes". Es ist klar, dass dabei die witzigsten Probleme auftreten. Vordergründig bleibt für Garry jedoch immer die Angst um seinen Job. Vor allem deshalb, weil Bertram zuletzt häufiger mit einem gewissen Herrn Poppitz telefoniert hat, offensichtlich einem Deutschen, was nichts Gutes bedeuten kann ...

Das Konzept des auf Ideen von Düringer basierenden Films, ist das der meisten österreichischen Komödien: Wie direkt aus einem Kabarettprogramm entnommen wirken die Pointen, um die herum eine durchaus tiefgründige Geschichte gesponnen wird.Vor allem die unglaubliche Themenvielfalt (berufliche Existenzangst, Wesen der "Ferienclubkultur",Vorurteile gegenüber "Piefkes") macht "Poppitz" zu einem All-Inclusive-Film.

Valentin Stimpfl

POPPITZ. Österreich 2002. Regie: Harald Sicheritz. Drehbuch: Roland Düringer und Harald Sicheritz. Mit Roland Düringer, Marie Bäumer, Nora Heschl, Kai Wiesinger. Verleih: Filmladen. 99 Min.

Ein Traumgespinst

An der Spaltung zwischen dem realen Leben eines Arbeitslosen und seinem fiktiv konstruierten Leben als Berufstätiger arbeitet das Filmdrama "L'emploi du temps" des französischen Regisseurs Laurent Cantet. Der Biennale-Preisträger (2001) für den besten Film des Jahres in der Sektion "Gegenwartskino" erzählt von den lügenhaften Verstrickungen des arbeitslosen Vincent (Aurélien Recoing), der ein Doppelleben führt, um das Gesicht vor seiner Familie und seinen Freunden zu wahren: Er möchte nicht zugeben, dass er seinen Beruf verloren hat, weil man ihn entlassen hat. Also täuscht er vor, eine neue Stelle angenommen zu haben. Angeblich ist er nun für die UNO in Genf tätig und organisiert Wirtschaftshilfe für Afrika. Jedes Wochenende fährt er zurück nach Frankreich, Montags bis Freitags lungert er auf Rastplätzen herum, verbreitet via Handy akrobatische Lügengeschichten und versucht nebenbei auch noch, alten Schulkameraden für riskante Aktiengeschäfte Geld abzunehmen. Das geht atemberaubend lange gut. Doch die Lügen können nicht ewig aufrecht erhalten werden.

Laurent Cantet hat mit "L'emploi du temps" ein weit gespanntes Kammerspiel über die gefährliche Wechselwirkung von beruflicher und familiärer Kälte und über die Ökonomisierung des Gefühlshaushalts kreiert. Er beschreibt bodenständig und deshalb bedrohlich das Leben als Traumgespinst und verlängert ein Schicksal vom Arbeitsmarkt tief ins Privatleben hinein. Vor allem durch einen faszinierenden Fremden: den Hauptdarsteller Vincent. Er zeigt keine Wunden und funktioniert gespenstisch reibungslos in seinen beiden Halbwelten. Die richtige Entfernung zum eigenen Stoff zu finden und das richtige Gefühl für die Figuren, eine Haltung nicht hinauszuposaunen und sie doch zu vermitteln - darin liegt die Kunst der Regie. Eine Leistung, die den Film zu einem besonderen Stück Kino macht! Sehr empfehlenswert! C.B.

L'EMPLOI DU TEMPS. Frankreich 2001, Regie: Laurend Cantet.Mit: Karin Viard, Auriel Recoing. Verleih: Polyfilm

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