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Nicht ein Hauch von Eros

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Einen höchst* interessanten Ballettabend bescherte Werner E g k in der Bayerischen Staatsoper. Uraufgeführt wurde „C a s a n o v a in London“, ein Ballett, dem Egk keine dramatische Handlung unterstellen wollte, sondern die epische Form einer Folge von Tableaus: Casanovas Ankunft in London, Ball der Herzogin, Würfelspiel, Fuchsjagd, im Hause des Lord S., auf einem Jahrmarkt, Casanova besucht ein Etablissement, das Gericht, im Tower und Abreise. Es sind zehn Stationen, prägnant charakterisiert, die dem Choreographen ungewöhnlich viele Möglichkeiten bieten, in voller Freiheit seine Ideen zu entwickeln. Janine Charrat — künftige Ballettdirektorin der Pariser Opera comique — hat diese Möglichkeiten zu nützen gewußt, und sie stattet die Bildfolge mit einem erstaunlichen Reichtum an Phantasie aus. Nicht sehr sinnvoll sind die Schrifttafeln, die den Ablauf störend beeinflussen, aber Silvia Strahammer und Ottowerner Meyer haben für bezaubernde Dekors und Kostüme gesorgt, und die tänzerischen Leistungen sind von so hohem Niveau, daß man Uber einige Schwächen und Unzulänglichkeiten — vor allem gegen Ende zu — hinwegsehen kann.

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Einen höchst* interessanten Ballettabend bescherte Werner E g k in der Bayerischen Staatsoper. Uraufgeführt wurde „C a s a n o v a in London“, ein Ballett, dem Egk keine dramatische Handlung unterstellen wollte, sondern die epische Form einer Folge von Tableaus: Casanovas Ankunft in London, Ball der Herzogin, Würfelspiel, Fuchsjagd, im Hause des Lord S., auf einem Jahrmarkt, Casanova besucht ein Etablissement, das Gericht, im Tower und Abreise. Es sind zehn Stationen, prägnant charakterisiert, die dem Choreographen ungewöhnlich viele Möglichkeiten bieten, in voller Freiheit seine Ideen zu entwickeln. Janine Charrat — künftige Ballettdirektorin der Pariser Opera comique — hat diese Möglichkeiten zu nützen gewußt, und sie stattet die Bildfolge mit einem erstaunlichen Reichtum an Phantasie aus. Nicht sehr sinnvoll sind die Schrifttafeln, die den Ablauf störend beeinflussen, aber Silvia Strahammer und Ottowerner Meyer haben für bezaubernde Dekors und Kostüme gesorgt, und die tänzerischen Leistungen sind von so hohem Niveau, daß man Uber einige Schwächen und Unzulänglichkeiten — vor allem gegen Ende zu — hinwegsehen kann.

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Margot Werner hat endgültig zur Spitze der deutschen Tänzerelite gefunden, ihre „Lady S.“ ist eine faszinierende Synthese von darstellerischem Ausdruck und tänzerischer Brillanz. Ebenso findet Heinz Bosl die große Geste und die sprungtechnische Souveränität für die Titelpartie.

Problematisch ist freilich das musikalische Geschehen. Werner Egk hat eine Partitur geschrieben, die „Casanova“ nicht so sehr in London, als vielmehr auf seinem Alterssitz als Bibliothekar beim Grafen Waldstein im böhmischen Dux zu beschreiben scheint. Es fehlt dieser Musik die Farbigkeit der Gestalt und das erotische Flair, das von ihr ausging. Casanovas „Memoires ecrits par lui-meme“ nannte Hermann Hesse ein Dokument reiner Sinnlichkeit, ohne die tragische Abgesondertheit, die das Genie ausmacht. Sollte Werner Egk von dieser Feststellung ausgegangen sein, sollte er Casanova die Dämonie des Genies abgesprochen und diese Erkenntnis durch seine Partitur artikuliert haben? Das ist nicht anzunehmen. Oder sollte Egk nichts mehr, oder nur noch wenig eingefallen sein? Egk

— dessen Musik immer stärker zum alten Neoklassizismus eines Honeg-ger und Prokofieff tendiert — hat im „Casanova“ auf etwas verzichtet, das er fundamental beherrscht, auf die Zeitbezogenheit. Er hat es sich — im Gegensatz zum „Columbus“, zur „Chinesischen Nachtigall“, zur „Karibischen Suite“, zur Zaubergeige“ und vieler anderer Werke — versagt, das musikalische London des 18. Jahrhunderts zu zitieren und es zu vermengen mit dem italienischen Brio seines Helden. Wo er ironisch wird, ist er am stärksten, so beispielsweise beim Auftritt der Braut, beim Erscheinen des reitenden Grafen, oder in der Flucht vor dem betrogenen Gatten.

Wie amüsant Egk im Geiste fremdländischer Kulturen zu musizieren versteht, zeigte wieder einmal die „Französische Suite“, die den Abend einleitete. Ohne folkloristisch zu sein, wird hier der Elan und Esprit französischen Geistes lebendig und John Cranko schuf eine so subtile, meisterhafte Choreographie, wie man sie sich nicht beglückender vorstellen kao9fäO

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