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Die Gesellschaft hilft

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Wer heute in Österreich von Alternativen zur Freiheitsstrafe, von Strafvollzug in Freiheit und von „Helfen statt Strafen“ spricht, der meint damit Bewährungshilfe. Daß Bewährungshilfe damit aber nicht auch schon zur selbstverständlichen Reaktionsform auf Verstöße gegen das Strafrecht geworden ist, zeigen die Belagszahlen in den österreichischen Gefängnissen:

Rund 9000 Gefangenen hinter Gittern stehen 4700 Bewährungs

hilfefälle gegenüber. In der Bundesrepublik Deutschland sind es 40.000 Gefangene bei etwas mehr als 100.000 Bewährungshilfefällen.

Bereits im Entwurf zu einem neuen Strafgesetzbuch, der im Jahr 1912 im Herrenhaus der Monarchie eingebracht wurde, war die Einrichtung der „Schutzaufsicht“ enthalten, wobei auf den englischen „Probation of Offenders Act 1907“ als Vorbild verwiesen wurde.

1920 wurde als eines der ersten modernen Gesetze der jungen Republik das vGesetz über die bedingte Verurteilung“ beschlossen

und damit die bedingte Strafnachsicht und bedingte Entlassung eingeführt. Dieses Gesetz sah die Anordnung von „Schutzaufsicht“ bei den beiden Rechtsinstituten vor.

Die Schutzaufsicht kam jedoch wegen finanzieller und personeller Probleme nie richtig zum Tragen, womit erst mit Inkrafttreten des neuen Jugendgerichtsgesetzes 1962 die moderne Bewährungshilfe ermöglicht und eingeführt wurde. Die Bewährungshilfe für Erwachsene wurde erst mit dem neuen Strafgesetzbuch ab 1975 möglich.

Begonnen hat es 1957 mit einer „Modelleinrichtung Bewährungshilfe“ und auf der Grundlage der Bestimmungen über die Schutzaufsicht des Gesetzes zur bedingten Verurteilung. Engagierte Psychologen, Sozialarbeiter und Erzieher — aber auch „Laien“ — versuchten, im Modell den Grundsatz „Helfen statt Strafen“

zu verwirklichen, wobei therapeutisches und pädagogisches Können, verbunden mit dem Wissen um die sozialen und individuellen Nöte und Bedürfnisse der betreuten Jugendlichen, zum Tragen kamen.

Die Erfolge dieser Tätigkeit waren so überzeugend, daß bei den Beratungen des Entwurfes für ein neues Jugendgerichtsgesetz bereits die beim Modell gesammelten Erfahrungen verwertet werden konnten und 1961 im neuen Gesetz die Stellung des Bewährungshelfers als selbständige, eigenverantwortliche Fachkraft verankert wurde.

Die Modelleinrichtung Bewährungshilfe ging in den „Verein für Bewährungshilfe und soziale (Ju- gend-)Arbeit“ auf — und dieser Verein wurde 1964 vom Bundesministerium für Justiz mit dem Auf- und Ausbau der Bewährungshilfe in Österreich betraut. In der Steiermark wurden und

werden die Belange der Bewährungshilfe vom Verein „Rettet das Kind“ wahrgenommen.

Das Jugendgerichtsgesetz sah zu dieser Zeit nur ehrenamtliche Bewährungshelfer vor. Es war jedoch klar, daß die Hauptlast der Tätigkeit der Bewährungshilfe von hauptamtlichen, geschulten Sozialarbeitern getragen werden müßte. Daher wurden vom Justizministerium dem Verein hauptamtliche, beim Minsterium als Vertragsbedienstete oder Bundesbeamte angestellte Sozialarbeiter zur Verfügung gestellt. Das Jugendgerichtsgesetz 1961 kündigte auch ein eigenes Bewährungshilfegesetz an. Dieses trat auch Anfang 1969 in Kraft und sah vor, daß mit 1979 die Bewährungshilfe in die Verwaltung des Justizministeriums übergehen sollte.

In der Novelle 1980 zum Bewährungshilfegesetz wurde jedoch eine unbefristete Übertragung der Durchführung der Bewährungshilfe an den „Verein für Bewäh

rungshilfe und soziale Arbeit“ einstimmig beschlossen: Damit wurde auch die Überzeugung ausgedrückt, die Probleme der Kriminalität mit Hilfe eines staatlichen Instruments auf einer gesellschaftlichen Ebene anzugehen.

Univ.-Prof. Heinz Steinert hat das Anliegen so beschrieben: „Im Gegensatz zu anderen Maßnahmen der Strafjustiz, die immer nur .negativ , also durch Verbot, Bestrafung, Entfernung dessen, der ein Verbot Übertritt,… und damit Verringerung seiner Lebenschancen, in das gesellschaftliche Leben eingreifen, besteht ypei der Bewährungshilfe ja der Anspruch und auch die Möglichkeit, direkt und .positiv an den gesellschaftlichen Situationen und an den Einzellagen — wenn auch am Einzelfall ausgerichtet — zu arbeiten.“

Wobei Steinert auch die Eigenart der österreichischen Bewährungshilfe als zielführend erachtet, wenn er meint: „Die Doppelkonstruktion von privatem Verein und staatlicher Dienststelle

… entspricht genau der Vermittlungsaufgabe zwischen staatlicher und gesellschaftlicher Ebene, die von der Bewährungshilfe zu erfüllen ist.“

Der Autor ist Generalsekretär des Vereins für Bewährungshilfe.

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