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Digital In Arbeit

Kontrolle ist gut, V ertrauen besser

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Justizminister Ofner will „Häfenurlauber“ verstärkt überwachen. Für den Minister gab’s in der Öffentlichkeit viel Zustimmung - die Bewährungshelfer selbst sind skeptisch.

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Justizminister Ofner will „Häfenurlauber“ verstärkt überwachen. Für den Minister gab’s in der Öffentlichkeit viel Zustimmung - die Bewährungshelfer selbst sind skeptisch.

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Dem Modell strafrechtlicher Verhaltenssteuerung und Verhal- tenskbntrolle liegt eine eindeutige Festlegung der Machtverhältnisse und der Interaktionsbeziehungen zwischen Richter und Rechtsbrecher zugrunde. Diese Verhältnisse und Beziehungen sind in materiellen und formellen Rechtsnormen festgeschrieben,

deren Einhaltung essentieller Bestandteil jeglicher rechtsstaatlicher Gerichtsbarkeit ist.

Der Richter hat im gesamten Verfahren zunächst das öffentliche Interesse zu repräsentieren und das Individualinteresse daran zu messen. Anknüpfungspunkt in diesem Modell von Verhaltenssteuerung und Verhaltenskontrolle ist eine in der Vergangenheit liegende vermutete Normverletzung.

Dieses Modell schreibt die Par- tizipations- und Interventionsmöglichkeiten aller Beteiligten genau vor und legt sie fest.

Soziale Realität wird im Strafverfahren auf die für das Verfahren notwendigen und essentiellen Ereignisse und Bedingungen reduziert, um das Ziel des Verfahrens zu erreichen, um zu.Entschei- dungen über Schuld und Strafe zu kommen.

Ob diese im Verfahren, nach zunächst juristischen Kriterien stattfindende Verengung der sozialen und psychischen Zusammenhänge auf „tatbestandsmäßig relevante“, auch immer der Wahrnehmungsfähigkeit und Einsichtsmöglichkeit des oder der Betroffenen entspricht, bleibt dahingestellt und ist auf Grund empirischer und theoretischer Befunde eher zu verneinen.

Erwünschtes Verhalten soll dadurch erreicht werden, daß ein in der Vergangenheit stattgehabtes normwidriges Verhalten „verurteilt“ und mittels Sanktion zum Ausdruck gebracht wird, daß zukünftig normgerechtes Verhalten erwünscht ist — bei bedingten Strafrechtsfolgen innerhalb eines genau festgelegten Zeitraumes der Erprobung und Bewährung.

Wird diese Erprobung positiv absolviert, dann wird von dem Vollzug des ursprünglich angedrohten Strafübels abgesehen.

Der Richter hat nun auf Grund seiner Einschätzung der Person und deren Situation die Möglichkeit, mittels Anordnung von Weisungen beziehungsweise Bewährungshilfe, zusätzlich zur Drohung des Vollzuges der zunächst ausgesetzten Sanktion, bestimmte relevante Bedingungen mit einem feineren Instrument zu beeinflussen.

Weisungen stellen sich daher hinsichtlich ihrer kriminalpolitischen Zielsetzung als eine so gut wie ausschließlich spezialpräventive Maßnahme dar.

Bei der Anordnung von Bewährungshilfe hat der Richter genaue Erwägungen im Einzelfall anzustellen, ob die Maßnahme Bewährungshilfe erfolgversprechend ist. Die Bestellung eines Bewährungshelfers für einen Probanden zielt jedoch nicht auf eine mehr oder weniger „herausisolierte“ Gegebenheit oder Verhaltensweise ab, sondern bezieht sich auf den

„Lebenswandel“ des Probanden und auf seine „Umwelt“.

Der Bewährungshelfer handelt im Auftrag des Gerichtes, was gleichsam den Rahmen seiner Tätigkeit gibt. Dieser Rahmen begründet, begrenzt und definiert sein Handeln, gibt ihm gleichzeitig Legitimität und impliziert, daß in seinem Bemühen grundsätzlich Chancen gesehen werden.

Die Wahl der Mittel, die zum erstrebten Ziel führen sollen, sind in einem hohen Ausmaß dem professionellen Wissen und der Erfahrung des Bewährungshelfers Überla s sen.

Das heißt, daß der gesetzliche Auftrag des Bewährungshelfers, „über den Lebenswandel des Rechtsbrechers zu wachen… (und) Versuchungen vom

Rechtsbrecher fernzuhalten“, so zu verstehen ist, daß die damit intendierten Ziele nicht über äußere Kontrolle zu erreichen sind — dies würde ja bedeuten, daß der Be-

währungshelfer die Machtmittel, sie durchzusetzen, haben müßte, was jedoch nicht der Fall ist.

Bewährungshilfe heißt also, daß von vornherein nicht an einzelnen Lebensbezügen angesetzt wird und daß keine durch Macht vermittelte äußere Kontrolle und Sanktionierung zum Einsatz kommen kann. Die Maßnahme Bewährungshilfe setzt an der langfristigen Veränderung der Persönlichkeit des Probanden und der Situation des Probanden an.

Bewährungshelfer haben sich mit Rat und Tat darum zu bemühen, dem Rechtsbrecher zu einer Lebensführung und zu einer Einstellung zu verhelfen, die Gewähr dafür bieten, daß in Zukunft keine weiteren strafbaren Handlungen begangen werden.

Dies hat als sozialarbeiterischer Berufsvollzug durch den langfristigen Aufbau einer Vertrauensbeziehung zwischen Bewährungshelfer und Klienten zu erfolgen, die die Basis für die Beeinflussung und Sozialisierung des Klienten bildet.

Die Orientierung der Arbeit des einzelnen Bewährungshelfers und der Organisation der Bewährungshilfe an dieser Beziehungsarbeit soll vornehmlich eines ermöglichen: daß zwischen Bewährungshelfer und Proband eine Vertrauensbeziehung entsteht, aus der heraus dann die gemeinsame Arbeit stattfinden kann.

Daß diese Vertrauensbeziehung der wesentliche Kern der Arbeit der Bewährungshilfe ist, darüber besteht schon seit langem Konsens zwischen Richtern und Bewährungshelfern.

Aufgabe der Bewährungshilfe ist es, zu helfen statt zu strafen. Denn wer schwierig ist, hat Schwierigkeiten. Und wer Schwierigkeiten hat, wird schwierig.

Diese Schwierigkeiten zu beseitigen, ist die Aufgabe der Bewährungshilfe — Bewährungshelfer helfen damit nicht nur ihren Schützlingen, sondern schützen auch die Gesellschaft vor potentiellen Tätern.

Der Autor ist Generalsekretär des Vereines für Bewährungshilfe und soziale Arbeit in Wien.

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