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Digital In Arbeit

Gegen die Angst und die Ignoranz der Umwelt

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Triebmörder, eiskalter Bandenchef, Eifersuchtsdrama — überall lauert das Verbrechen. Das ist das Bild, das uns die meisten Medien zum Thema Kriminalität jeden Tag ins Haus liefern.

Das „gesunde Volksempfinden“ reagiert darauf unmittelbar: mehr Polizisten, bessere Bewaffnung oder gar Wiedereinführung der Todesstrafe.

500 engagierte Leute in ganz Österreich entziehen sich dieser ewig gestrigen Kriminalberichterstattung, 500 Personen, die erkannt haben, daß Aburteilen, Einsperren, Ausschließen nicht die einzigen Instrumente der Ge-

Seilschaft sein können, um Kriminalität einzudämmen.

Es handelt sich dabei durchwegs um Menschen, die sich zum Ziel gesetzt haben, in eine ehrliche’ Beziehung zu Vorbestraften zu treten; Ehrenamtliche Bewährungshelfer.

„Ehre“ meint in diesem Zusammenhang „ohne Bezahlung“. Lediglich 450 Schilling Aufwandsentschädigung sollen ihnen helfen, ihre Schützlinge dort zu treffen, wo sie sich wohl fühlen, in Kaffee- oder Gasthäusern; zu mehr reicht diese Entschädigung nicht.

Lohn für ihre Arbeit streben die ehrenamtlichen Helfer auf einer anderen Ebene an und finden ihn

nach einer erfolgreichen Betreuung oder einem hilfreichen Gespräch in Situationen, in denen der Proband nicht mehr weiter wußte.

Laut Gesetz sind die ehrenamtlichen Bewährungshelfer den hauptamtlichen gleichgestellt. Außer Frage steht auch die Effizienz ihrer Arbeit.

Wie sieht nun diese Arbeit konkret aus?

Der Bewährungshelfer erhält zunächst einen Erhebungsbericht der Jugendgerichtshilfe über das soziale Umfeld des Betroffenen. Dann erlebt der ehrenamtliche Reifer seinen künftigen Schützling zum erstenmal bei der Verhandlung vor Gericht. Danach versucht der Bewährungshelfer, Kontakt zum Probanden herzustellen. Damit beginnt die Betreuung, die meistens drei Jahre dauert.

Eine lange Zeit, die aber oft als zu kurz erscheint, um all das aufzuarbeiten, was der jugendliche

Straffällige in seinem bisherigen Leben erleben mußte.

Dieses „Aufarbeiten“ setzt ein großes Maß an Flexibilität voraus und gerade das zeichnet die ehrenamtlichen Bewährungshelfer aus. Sie bringen sich selbst als Person in die Betreuungssituation ein, mehr als dies professionelle Helfer können, die durch die hohe Fallbelastung (bis zu dreißig Betreute) viel mehr reflektiertes sozialarbeiterisches Handeln ein- setzen müssen, um zum gleichen Erfolg wie die ehrenamtlichen Helfer zu kommen.

Bei Menschen, die nie funktionierende Beziehungen zu anderen Menschen (Vater, Mutter) erlebt haben, wirkt sich die erwähnte Flexibilität der ehrenamtlichen Bewährungshelfer doppelt positiv aus.

So gibt es oft Kontakte auch an Wochenenden. Nicht selten wird der Straffällige dabei zum ersten Mal mit einer funktionierenden Familie, der Familie des Bewährungshelfers konfrontiert.

Meist erlebt der Proband beim ehrenamtlichen Bewährungshelfer das erste Mal eine Beziehung, in der er sich anerkannt und unterstützt fühlt. In dieser Beziehung kann er dann all die Destruktivität und Aggression, die er aufgebaut hat, beiseite stellen und das wahre Gesicht seiner Persönlichkeit zeigen, die Seite seines Wesens, die ihm soziale Anerkennung ermöglicht.

Wenn einmal eine belastbare Beziehung zum Probanden hergestellt wurde, ist es auch möglich, Rückschläge, Frustrationen und das Mißtrauen, die offen gezeigte Ablehnung der Mitmenschen gegen Vorbestrafte zu ertragen und nicht zu verzweifeln.

Zumeist ist ja die Ignoranz der

Umwelt Ursache für einen Rückfall. Diese Ignoranz hat ihre Ursache in der Angst, selbst bedroht zu werden, was menschlich nur allzu verständlich ist.

Dieser Angst kann man sich aber auch stellen, durch die konkrete Arbeit mit Vorbestraften. Man verliert die Angst sehr bald, weil man erkennt, daß ein verständnisvolles Gespräch, eine tragfähige Beziehung mehr nützen als neue Waffen oder Sondereinheiten der Polizei.

Die ehrenamtlichen Bewährungshelfer kommen aus allen Berufen, sind wie jeder andere auch vom Alltag belastet, haben Familien und auch da ihre persönlichen Probleme. Sie sind keine Übermenschen, sondern Leute, die sich nicht damit begnügen wollen, Verantwortung für soziale Probleme an sogenannte Spezialisten zu delegieren.

Die ehrenamtlichen Bewährungshelfer tragen den Gedanken der Bewährungshilfe an ihren Arbeitsplatz, in ihren Bekanntenkreis, in ihre Umwelt hinaus und helfen mit, eingefahrene Vorstellungen über Kriminalität zu korrigieren.

Der Autor ist hauptamtlicher Bewährunghelfer.

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