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Bewährungshilfe gegen die Spirale

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FURCHE: In welchen Fällen wird ein Bewährungshelfer eingesetzt?

WALTER GRIESSLER: Bewährungshilfe gibt es sowohl für Jugendliche als auch für Erwachsene. Im Jugendgerichtsgesetz (JGG) ist ihr Einschreiten im wesentlichen im Falle der bedingten Verurteilung oder der bedingten Entlassung vorgesehen.

FURCHE: Was geschieht im Falle einer bedingten Verurteilung?

KARL SCHNITZER: Konkret sieht die Sache so aus: Ein Jugendlicher begeht eine Straftat. Es kommt zu einer Erhebung, die auch die soziale Situation des Jugendlichen erkennen läßt. Wird von der Jugendgerichtshilfe aufgrund der Sachlage Bewährungshilfe angeregt, entscheiden wir in unseren Teambesprechungen, wer von uns aufgrund der Unterlagen in diesem Fall am besten als Betreuer geeignet wäre.

Er geht dann zu der Verhandlung. Endet diese mit einer bedingten Verurteilung, so kann vom Gericht gleichzeitig Bewährungshilfe angeordnet werden. Der Jugendliche kann nach der Verhandlung heimgehen, hat j etzt aber einen Bewährungshelfer.

FURCHE: Was bedeutet das -einen Bewährungshelfer haben?

SCHNITZER: Für. beide Teüe besteht eine gewisse Pflicht, gegenseitige Kontakte zu pflegen. In der Regel wird sich der Bewährungshelfer eine gewisse Terminfolge mit dem Jugendlichen ausmachen. Er trifft den Jugendlichen dann entweder allein oder mit seiner Familie — entweder in der Außenstelle der Bewährungshilfe oder zu Hause beim Jugendlichen.

FURCHE: Und was geschieht bei diesen Zusammenkünften?

SCHNITZER: Zuerst muß sich der Bewährungshelfer ein Bild von der Situation seines Schützlings machen, um einen Plan für sein Vorgehen zu entwerfen. Häufig wird er die Famüie in seine Betreuungstätigkeit einbeziehen.

In etwa 70 Prozent der Fälle sind die Probanden Jugendliche, bei denen die Väter für die Erziehung ausfallen. Da kann man dann entweder versuchen, für den Probanden eine Art Vaterersatz zu werden. Oder man versucht, Spannungen, die in der Familie bestehen, aufzuarbeiten.

FURCHE: Und wie reagieren die Betroffenen?

GRIESSLER: Zuerst ist Be-währungshüfe für den Probanden eine erzwungene Sache. Er verbindet sie mit einem sehr unangenehmen Erlebnis, der Gerichtsverhandlung, bei der er einen .Aufpasser“ verordnet bekam.

Zunächst geht es daher darum, aus dieser erzwungenen eine menschliche Beziehung zu machen. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle - allerdings nicht immer — gelingt das auch. Am Anfang wird es relativ häufige Kontakte geben. Dabei wird nicht immer nur geredet. Manchmal kommt man sich beim Spielen (etwa Tischtennis oder Tischfußball) näher.

Viele Jugendliche tun sich überhaupt schwer mit dem Reden. Sie sind es von zu Hause nicht gewöhnt und müssen es erst lernen. Unsere Tätigkeit ist daher nicht primär Management. Im Vordergrund steht das Auf-den-anderen-Zugehen.

FURCHE: Und wie reagieren • die Familien?

SCHNITZER: Wenn's brennt, holen sie einen oft sogar gern zu Hüfe. Und in der Mehrzahl der Fälle gelingt es, in die gespannte Familiensituation etwas Erleichterung einzubringen.

FURCHE: Und wie oft finden nun solche Kontakte statt?

SCHNITZER: Am Anfang sieht man den Probanden sicher einmal wöchentlich. Häufiger sehe ich jemanden nur, wenn aktuelle Probleme anstehen, wie Erledigungen bei Ämtern, Versicherungen ...

GRIESSLER: Wenn sich die Situation des Probanden stabilisiert hat, dann bleibe ich als Angebot im Hintergrund. Dann verlängern sich die Abstände der Kontakte. Vor allem gegen Ende der Probezeit sieht man sich seltener, damit eine Ablösung stattfindet. Sie gelingt aber nicht immer. Manche bleiben hängen. Es gibt welche, die ich seit 15 Jahren sehe.

FURCHE: Und bedarf es nicht auch konkreter Hilfestellung?

SCHNITZER: Wichtig ist die Hilfe im beruflichen Bereich. Wir haben viele Jugendliche, die oft Lehrstellen gewechselt haben. Da gut es auch, die Ursachen für die Instabilität zu erkennen und Abhilfe zu schaffen, um den jungen Menschen dann mit größerer Erfolgschance an eine Lehrstelle zu vermitteln.

FURCHE: Hat das Gericht noch etwas mit dem Fall zu tun?

GRIESSLER: Der Bewährungshelfer ist verpflichtet, etwa halbjährlich dem Richter über den Verlauf der Betreuung Auskunft zu geben. Kann kein Kontakt mit dem Probanden hergestellt werden, so muß der Richter reagieren. Ein solcher Fall ist sehr selten. Manchmal liegen die Probleme auch beim Bewährungshelfer. Dann wird versucht, mit einem Wechsel in der Betreuung zu reagieren.

FURCHE: Wie aber sieht der Fall der bedingten Entlassung aus?

SCHNITZER: Diesen Fall gibt es bei Jugendlichen und Erwachsenen. Im Normalfall wird die Entlassung von einem eigenen Senat nach Verbüßung von zwei Dritteln der Haftstrafe verfügt. Es gibt aber auch eine bedingte Entlassung aus der „Maßnahme“, also der Verwahrung von Alkohol-oder Drogensüchtigen und von geistig Abnormen. Bei der Entlassung aus der Maßnahme dauert die Probezeit fünf oder zehn Jahre. In den übrigen Fällen drei.

FURCHE: Wie spielt sich die Betreuung in diesen Fällen ab? GRIESSLER: Da wird mit dem

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