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Mit Blumenstrauß in das Krankenhaus

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Die Reform der Jugendgerichtsbarkeit ist nicht unumstritten. Jedoch sollte außer Streit stehen, daß das Strafen allein die Resozialisierung auch nicht leichter macht.

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Die Reform der Jugendgerichtsbarkeit ist nicht unumstritten. Jedoch sollte außer Streit stehen, daß das Strafen allein die Resozialisierung auch nicht leichter macht.

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Im Mittelpunkt der 14. Jugendrichtertagung vom 4. bis 8. Oktober 1982 in Ossiach stand der Diskussionsentwurf für eine Jugendgerichtsnovelle. Diese Gesetzesnovelle soll das aus dem Jahre 1961 stammende Jugendgerichtsgesetz (JGG) auf einen strafrechtlich modernen Stand bringen.

Warum es mit dem JGG nicht zum besten stehe, erklärte Anfang Juni der Präsident des Jugendgerichtshofes Wien, Udo Jesionek, vor der österreichischen Juristenkommission bei einer Tagung in Weißenbach folgendermaßen: „Die Jugendgerichtsbarkeit hat durch die Entwicklung der letzten zwei Jahrzehnte, insbesondere im Gefolge der großen Strafrechtsre-form, weitgehend ihre ”Eigenständigkeit eingebüßt. Wesentliche in der Jugendgerichtsbarkeit erprobte strafrechtliche Sanktionen wurden in das allgemeine Strafrecht übernommen, ohne daß gleichzeitig eine sinnvolle Weiterentwicklung oder auch nur eine Adaption des Jugendgerichtsgesetzes vorgenommen wurde.”

Folgende geplante Änderungen sollen nun eine Verbesserung des Jugendstraf rechtes bringen: # Wird ein Jugendlicher strafrechtlich verfolgt, so' kann das Gericht das Verfahren für eine Probezeit von einem bis drei Jahren einstellen, wenn anzunehmen ist, daß das Verfahren und eine Bestrafung nicht notwendig sind, um den Jugendlichen von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten.

# Einem wegen einer Jugendstraftat Verurteiltem hat der Rest der Strafe bedingt nachgesehen zu werden, wenn er die Hälfte der Freiheitsstrafe, mindestens aber einen Monat, verbüßt hat (zum Vergleich das Strafgesetzbuch: bedingte Entlassung erst nach Verbüßung von zwei Drittel der Freiheitsstrafe bzw. von mindestens sechs Monaten).

# Erweiterung des Anwendungsbereiches von Weisungen und Bewährungshilfe.

# Soweit dies notwendig oder zweckmäßig ist, können dem jugendlichen Rechtsbrecher folgende Auflagen erteilt werden: a) einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zu zahlen, b) in der Freizeit unentgeltlich bestimmte soziale Leistungen zu erbringen wie Mithilfe bei Einrichtungen der Jugend-, Altersoder Gesundheitsfürsorge oder Mitwirkung bei der Errichtung oder beim Betrieb gemeinnütziger Einrichtungen, c) in der Freizeit unentgeltlich bestimmte Leistungen für den durch die strafbare Handlung Geschädigten zu erbringen.

• Beim Gerichtshof erster Instanz (Kreis- und Landesgerichte) entscheiden in Jugendstrafsachen Einzelrichter anstatt dem früheren Schöffengericht.

# Dauer der Untersuchungshaft höchstens drei Monate.

Die Boulevardpresse hatte wieder ihre Schlagzeilen: nun werde es auch in Österreich jene „Schokoladerichter” geben, die jugendliche Gesetzesbrecher mit einer Tafel Schokolade-in den Kindergarten schicken oder Blumen ins Krankenhaus bringen lassen.

Doch mit Blumen und Schokolade allein ist es nicht getan. Denn der schönste Leitgedanke muß auch in die Praxis des Alltages umgesetzt werden können.

Sektionschef Egmont Foregger vom Justizministerium meinte in Ossiach, daß sich der Jugendliche selbst beim Schopf packen solle, um sich aus dem Sumpf zu ziehen.

Hier wird man sich also beim Paragraph 18 des Ministerialent^ wurfes noch einiges einfallen lassen müssen, um das ganze nicht zu einem bloßen Lippenbekenntnis über Resozialisierung werden zu lassen.

Der Geltungsbereich des JGG wurde an das Volljährigkeitsalter (19 Jahre) nach oben angepaßt; warum man aber die untere Grenze der Strafmündigkeit immer noch auf 14 Jahren beläßt und nicht auf 15 Jahre (dem Ende der allgemeinen Schulpflicht) erhöht, bleibt unverständlich.

Ein kleiner Erfolg — so kann man zumindest von Seiten der Bewährungshelfer hören — ist das Recht der Teilnahme an der Verhandlung sowie das Recht, vom Richter gehört zu werden. „Früher konnten wir am Gang vor dem Verhandlungssaal spazieren gehen und wir waren von der Gnade des Richters abhängig, ob er uns zur laufenden Verhandlung beizog oder nicht” (ein Bewährungshelfer).

Problem Strafregister

Ein Problem, das aber nicht nur bei Jugendlichen eine wichtige Rolle spielt, ist das Strafregister. In einer Zeit, in der das Schreckgespenst Jugendarbeitslosigkeit auch vor Österreichs Grenzen nicht halt macht, ist es für einmal gestrauchelte Jugendliche fast unmöglich, eine Lehr- oder Arbeitsstelle zu finden.

Mahnen Politiker zwar immer, Strafentlassene bei der Wiedereingliederung ins normale Alltagsleben zu helfen, so ist es mit einem Leumundszeugnis mit dem entsprechenden Vermerk unmöglich, in den öffentlichen Dienst unterzukommen und auch viele Privatbetriebe scheuen in wirtschaftlich angespannten Zeiten, Strafentlassene aufzunehmen (FURCHE 36/1982).

Das Strafregister- bzw. Tilgungsgesetz könnte durchaus noch dahingehend geändert werden, daß das Kainsmal „Vorstrafe” nur mehr bei Gericht und Behörde aufscheint, jedoch nicht mehr im Leumundszeugnis.

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