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Das Jugendgerichtsgesetz

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Im Rahmen der vom Gesetzgeber geschaffenen therapeutischen Einrichtungen sind weiter auch jene Institutionen zu erwähnen, die das Jugendgerichtsgesetz als Maßnahmen der Erziehung bei kriminell gewordenen Jugendlichen vorsieht. Schon das alte österreichische Jugendgerichtsgesetz vom Jahre 1928 (bekanntlich ein Werk des Strafrechtslehrers Dr. Kadecka), das mit seiner im vorigen Jahre erfolgten Novellierung als Jugendgerichtsgesetz 1961 neu verlautbart und am 1. Jänner 1962 in Kraft getreten ist, war von der Erkenntnis ausgegangen, daß der noch nicht 18jährige Jugendliche ein noch in der Entwicklung begriffener Mensch ist, daher strafrechtlich nicht voll, unter Umständen sogar überhaupt nicht verantwortlich, wohl aber Erziehungsmaßnahmen zugänglich ist. Erzieherische Maßnahmen gegen straffällig gewordene Jugendliche, die an Stelle der Strafe zu verhängen waren, wurden daher schon damals in den Strafvollzugsvorschriften besonders betont. Hier seien wenigstens jene dem Jugendrichter in die Hand gelegten Erziehungsmittel erwähnt, deren er sich als Hilfsmittel bedienen kann, das ist die Einweisung in eine Bundesanstalt für Erziehungsbedürftige, die dem Jugendwohlfahrtsgesetz ange-

paßte Verhängung der Erziehungsaufsicht sowie die Bewährungshilfe für bedingt verurteilte oder bedingt entlassene Jugendliche, die, über die frühere Schutzaufsicht hinausgehend, dem Jugendlichen im Bewährungshelfer eine erwachsene Vertrauensperson an die Seite stellen.

Abgesehen von den bereits in England, Westdeutschland und“ Dänemark gewonnenen Erfahrungen, wurden auch schon in Österreich im Rahmen der freiwilligen Jugendfürsorge des „Vereines für soziale Jugendarbeit“ und der „Österreichischen Gesellschaft Rettet das Kind“ in Wien, Graz und Mödling durch Arbeitsgemeinschaften freiwilliger ehrenamtlicher Helfer als Modelleinrichtungen ermutigende Erfahrungen gemacht. Der letzte Erfolg dieser Einrichtung wird allerdings davon abhängen, ob sich eine genügende Anzahl von zeitaufgeschlossenen Menschen finden wird, die bereit und befähigt sind, sich in den Dienst der Bewährungshilfe zu stellen.

Grundlegung

Nun hört man nicht selten den mutlosen Einwand, alle diese Resozia-lisierungsversuche an einer bereits abgeglittenen Jugend versprächen ja nicht sehr viel, viel wichtiger sei es, die Jugend vor dem Abgleiten zu be-

wahren. Dem ist nur zu entgegnen: Ebensowenig wie sich der Arzt darauf beschränken kann, einer Seuche nur mit prophylaktischen Mitteln beizukommen und unter Verzicht auf jede Therapie die Kranken ihrem Schicksal zu überlassen, kann ein Kampf gegen soziale Zeitübel bloß mit prophylaktischen Maßnahmen allein bekämpft werden, es ist vielmehr das eine so wichtig wie das andere.

Soweit es sich um die Abwehr konkreter Gefahren in einem Einzelfall der drohenden Verwahrlosung handelt, müssen im Rahmen der Vorbeugung selbstverständlich auch die bereits erwähnten Einrichtungen der Erziehungsberatung und Erziehungshilfe des Jugendwohlfahrtsgesetzes erwähnt werden. Darüber hinaus verdienen natürlich auch die verschiedenartigsten Einrichtungen der Elternberatung und Volksbildung. Erwähnung, angefangen vom Brautunterricht der Religionsgemeinschaften, der Mutterberatung der Jugendämter, des schulpsychologischen Dienstes an den Schulen bis zu den einschlägigen Vorträgen an Volksbildungsstätten, in Rundfunk und Fernsehen. Hier sind besonders noch zwei Einrichtungen zu erwähnen, die von vornherein dazu bestimmt sind, die Familie in ihrer Erziehungsarbeit zu ergänzen: die Kindergärten und die Schulhorte. Gerade für Kinder, deren Eltern ganztägig im Beruf stehen, oder für Kinder, die zum Besuch einer auswärtigen Schule ein Massenverkehrsmittel nur zu bestimmten Tageszeiten benützen können, wäre der Besuch eines Hortes unerläßlich. Es ist daher durchaus zu begrüßen, wenn die „Österreichische Gesellschaft Rettet das Kind“ und ihre Landesverbände in Kärnten und Niederösterreich die Schaffung von Schülerhorten betreiben.

Die vorstehende Darstellung kann und soll nicht den Anspruch auf Vollständigkeit oder wissenschaftliche Tiefgründigkeit erheben. Sie möchte aber das öffentliche Interesse fördern und eine Mahnung an jeden einzelnen sein, seinen Beitrag zum Aufbau einer Gemeinschaft, welche die persönliche Würde und Freiheit des Menschen achtet, zu leisten.

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