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Nochmals eine Chance

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Der dumpfe Anschlag der zufallenden schweren Eisentür klingt nach Ewigkeit. Und das Klimpern des großen Schlüsselbundes verstärkt beim 16jährigen F. K. das Gefühl der Einsamkeit beinahe unerträglich. Für längere Zeit wird er mehr oder miijder bewußt ständig nach diesen Geräuschen lauschen. Denn das „ewige" Warten hat für F. K. begonnen: das Warten auf die Vorführung zum Untersuchungsrichter, auf den Besuch der Mutter, auf das Essen, auf die Verhandlung, auf die Entlassung…

Ein neues Jugendgerichtsgesetz (JGG) soll unter anderem diese

„Ewigkeiten" verkürzen, soll das Jugendstrafrecht überschaubarer und menschlicher gestalten. Mitte Februar hat die Regierungsvorlage den Ministerrat passiert, sonst passiert in dieser Legislaturperiode nichts mehr. Die Wahl kommt, die Reform muß warten.

Dabei besteht an einer baldigen Reform allgemein großes Interesse. Besonders wurde von Vertretern der Jugendrichter, zuletzt im Sommer des Vorjahres, die Sanktionsarmut des geltenden Jugendstrafrechtes bedauert, neue Sanktionsmöglichkeiten wurden gefordert: Zum Beispiel soll das Gericht ein Strafverfahren nach Ablauf einer Probezeit oder nach

Erfüllung einer ,Auflage" einer Weisung oder nach Betreuung durch einen Bewährungshelfer einstellen können.

Die Verfahrenseinstellung auf Probe gibt es in der Regierungsvorlage. „Wenn dem Jugendlichen in der Probezeit persönliche Leistungen zur Aufgabe gemacht werden können", erklärte der scheidende Justizminister Christian Broda die Motive, „wollen wir damit keinesfalls einen Arbeitsdienst für Jugendliche oder eine neue Jugendstrafe ohne Urteil einführen. Vielmehr geht es darum, dem Jugendlichen die Möglichkeit einer Schadensgut-machung zu geben, die ihm meist in finanzieller Hinsicht nicht möglich ist."

Um welche Auflagen geht es dabei? Es soll die Möglichkeit bestehen, auf einmal oder in Teilbeträgen einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zu zahlen - als Zeichen des Interesses an einer Wiedergutmachung. Oder: Unentgeltlich in der Freizeit für den, der durch die Tat geschädigt wurde, bestimmte Leistungen erbringen. Ebenso sollen dazu aber auth Leistungen zählen, die gemeinnützig sind, wobei die Mithilfe bei Einrichtungen der

Jugend-, Behinderten- und Altenbetreuung dazu zählen wie bei Gesundheitsfürsorge oder Umweltschutz.

Träger der Sozialarbeit begrüßen die „Verfahrenseinstellung auf Probe" und gegen Auflagen unter dem Aspekt, daß dadurch für den Jugendlichen keine strafrechtlichen oder prozessualen Konsequenzen entstehen. Eine Durchführung in diesem Sinn setzt aber eine beträchtliche Autonomie dieser Institutionen und ihren unumstrittenen Status voraus. Denn sonst werden entweder die Gerichte nur wenig von den neuen Möglichkeiten Gebrauch machen — oder die mit der Durchführung betrauten Institutionen werden als soziale Kontrolle der gerichtlichen Kontrolle einverleibt. Und dies entspräche nicht den Intentionen der Reform.

Dabei ist eines unumstritten: Der Jugendrichter soll erst in allerletzter Konsequenz Strafrichter sein. Jugendbetreuung und Jugendgerichtsbarkeit sollen vielmehr eng zusammenarbeiten, das Nebeneinander von Jugendgerichtsgesetz und Jugendwohlfahrtsgesetz soll zu einer Einheit werden.

Dem entspricht die Tendenz der

Reform, das JGG, jugendgerechter" zu gestalten: Uber die erwähnte Verfahrenseinstellung auf Probe oder gegen Auflage hinaus soll bei Jugendlichen, die noch nicht sechzehn Jahre alt sind, von einem Strafverfahren abgesehen werden können, wenn es sich um ein minderschweres Delikt handelt und das Verfahren vermeidbar ist.

Künftig sollen nicht nur zudem die Achtzehn- bis Neunzehnjährigen in die Jugendstrafrechtspflege einbezogen werden, auch an den Ausbau dar bedingten Entlassung aus einer Freiheitsstrafe wegen einer Jugendstraftat wäre gedacht. Neu und für die Zukunft eines jungen Menschen von Bedeutung wäre die Einschränkung der gerichtlichen Benachrichtigungen über Strafverfahren sowie mehr Beschränkungen bei der Auskunft aus dem Strafregister.

Außerdem soll auch über Jugendliche weniger rigoros Untersuchungshaft verhängt werden können: für die richterliche Prüfung der Haftnotwendigkeit werden Fristen gesetzt. Und mit einer Vereinfachung der Verfahrensvorschriften will man das Verfahren beschleunigen.

Die Autorin ist Bewährungshelferin in Wien.

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