Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Die Freiheit ist ein kostbares Gut
Zwei Aspekte des Problems Untersuchungshaft: Überlegungen zur Eindämmung zu U-Haft durch den Justizminister und zu den problematischen Fakten im Fall Prutscher
Zwei Aspekte des Problems Untersuchungshaft: Überlegungen zur Eindämmung zu U-Haft durch den Justizminister und zu den problematischen Fakten im Fall Prutscher
Daß wir bei der Zahl der Untersuchungshäftlinge den höchsten Stand seit Jahrzehnten erreicht haben, bedeutet einen „Negativrekord", dessen Ursachen Gegenstand einer genauen Analyse und ernstester Überlegungen werden sein müssen. Es steht fest, daß wir alle, die wir in der Strafrechtspflege tätig sind und für sie Verantwortung tragen, unsere Aufmerksamkeit dieser Entwicklung zuwenden und uns mit ihren möglichen Ursachen und Konsequenzen auseinandersetzen müssen.
Es ist keine Frage, daß die menschlichen und administrativen Probleme, die in der Alltagspraxis des Vollzuges damit verbunden sind und die täglich von den Beteiligten bewältigt werden müssen, alles andere als kleiner geworden sind, daß ihre Lösung durch die eingetretene Situation nicht erleichtert wird.
Ich denke etwa an die durch das Zusammentreffen des außerordentlich hohen Standes an Untersuchungshäftlingen im Landesgericht für Strafsachen Wien mit der derzeitigen Umbau- und Generalsanierungsphase des landesgerichtlichen Gefangenenhauses verursachten Schwierigkeiten...
Wir haben mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 1971, als wir die gesetzlichen Haftgründe teilweise neu definiert und das obligatorische Haftprüfungsverfahren eingeführt haben, deutlicher als früher klargestellt, daß die Untersuchungshaft nur dort verhängt werden soll, wo es im Interesse der Wahrheitsfindung und der Strafverfolgung unbedingt erforderlich ist. Sie ist sobald wie möglich, wenn die im Gesetz bestimmten Haftgründe weggefallen sind, aufzuheben. Nach den vorliegenden Erfahrungen ist es angezeigt, den Haftgrund der Wiederholungsgefahr einzuschränken. Er dient im Gegensatz zu anderen Haftgründen nicht Zwecken des konkreten Strafverfahrens. Er ist im eigentlichen Sinn des Wortes eine Präventivhaft.
Das geltende Recht kennt diesen Haftgrund schon seit mehr als hundert Jahren nicht in den kleinsten Straffällen, nämlich in denen, die zum Bezirksgericht gehören. Die von mir empfohlene Einschränkung des Haftgrundes könnte etwa den darin zum Ausdruck kommenden Grundgedanken ausbauen.
Tragender Gedanke der Reform sollte sein, daß der Haftgrund der Wiederholungsgefahr auf Verfahren wegen schwerer, sicherheitsgefährlicher Delikte beschränkt wird und nur angenommen werden darf, wenn konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen bestehen.
Darüber hinaus werden wir auch in Zukunft der Dauer der
Untersuchungshaft unser Augenmerk zuzuwenden haben. Nach dem Inkrafttreten des Strafrechtsänderungsgesetzes 1971 mit seiner Neuregelung des Haftrechtes war eine merkbare Verkürzung der durchschnittlichen Haftdauer zu verzeichnen.
Dieser positive Effekt droht nun wieder verlorenzugehen. Wir werden deshalb neue Vorschläge zur Verfahrensbeschleunigung und zur Begrenzung der Untersuchungshaft auf ein vertretbares Ausmaß prüfen.
Erste Maßnahmen auf diesem Gebiet, die einer Verbesserung der Rechtsstellung des verhafteten Beschuldigten im Strafverfahren dienen, haben wir in den Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes 1981 aufgenommen ...
Die Institutionen können ihre Aufgabe nur erfüllen, wenn die Uberzeugung von ihrem Sinn lebendig ist. Der tragende Gedanke der Strafrechtsreform, daß die Freiheitsstrafe nur ultima ratio sein soll, wenn es wirklich keine Alternativen gibt, muß stärker im allgemeinen Bewußtsein Fuß fassen. Auch Untersuchungshaft soll nur verhängt werden, wenn wirklich keine „gelinderen" Mittel zur Verfügung stehen.
Die Freiheit eines Menschen ist ein so hohes Gut, daß alles mit größter Gewissenhaftigkeit bedacht und überlegt werden muß, bevor freiheitsbeschränkende Maßnahmen verhängt oder verlängert werden.
Auszug aus: „Österreichisches Anwaltsblatt" Heft 1/1982.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!