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Man kommt nur schwer aus der U-Haft!

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In letzter Zeit mehren sich die kritischen Äußerungen zum Thema Untersuchungshaft. So läßt die „österreichische Richterzeitung" in ihrer Februarnummer den Innsbrucker Universitätsassistenten Klaus Schwaighöfer ausführlich zu diesem Thema zu Wort kommen. Dieser stellt u. a. fest, „daß Richter die Untersuchungshaft zum Teil recht großzügig verhängen".

Dabei hält Artikel 6 der Menschenrechtskonvention eindeutig fest, daß „bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld... vermutet (wird), daß der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist".

Untersuchungshaft sollte daher ein Mittel sein, das nur in besonderen Fällen verhängt wird. Die Häftlingszahlen jedoch deuten nicht darauf hin: Am 31. Dezember 1981 wurden in Österreich 2301 Personen als Untersuchungshäftlinge in Haft gehalten. 2301 Personen, die aus der Sicht des Rechts noch als unschuldig gelten!

Dabei hatte die neugefaßte Strafprozeßordnung 1971 die Verhängung der U-Haft erschweren wollen. Tatsächlich ist aber von 1970 bis 1981 der Anteil der U-Häftlinge an den Gefangenen von 22 auf 27 Prozent gestiegen!

Man kommt relativ leicht in den „Häfen", aber nur schwer wieder heraus. Am Beispiel Johann Prutscher möchte ich dies illustrieren. Dabei geht es mir nicht darum, zu klären, ob Prutscher die ihm vorgeworfenen Delikte begangen hat oder nicht. Selbst wer schweren Vorwürfen ausgesetzt ist, verdient — solange er nicht verurteilt ist — eine faire Behandlung.

Verhaftet wurde Prutscher vor beinahe zehn Monaten, im Mai 1981. Seit rund einem Jahr waren bereits Untersuchungen gegen ihn im Zusammenhang mit Vermögensdelikten im Rahmen der AKH-Erhebungen im Gange gewesen. Während dieser Zeit war er offensichtlich nicht geflüchtet.

Dennoch enthält sein Haftbefehl Flucht- und Wiederholungsgefahr als Haftgründe.Nun könnte ich mir am ehesten vorstellen, daß im Fall von Vermögensdelikten in Millionenhöhe die Verdunkelungsgefahr Grund zur Inhaftierung sein könnte.

Aber kann man sich ernsthaft vorstellen, daß jemand mit dem von den Medien „gepflegten" Ruf von Prutscher Vermögensdelikte wiederholen könnte, Delikte also, die auf Vertrauensmißbrauch beruhen?

Der Beschluß zur Verhängung der U-Haft bringt diesbezüglich jedoch keine Klarheit, weil die gesetzlich vorgeschriebene Begründung fehlt. Daher ist auch schwer zu erkennen, warum das Gericht plötzlich einen dringenden Tatverdacht hegt. Seit der Novelle 1971 muß der Tatverdacht nämlich „dringend" sein, damit U-Haft verhängt werden darf.

Diese Begründung liefert die aufgrund einer Beschwerde angerufene Ratskammer nach, allerdings erst einen Monat nach Verhängung der Haft!

Dabei sieht diese Berufungsinstanz manches anders als die Untersuchungsrichterin:. Dringender Tatverdacht statt in fünf nur in zwei Anklagepunkten. Auch Fluchtgefahr liege keine vor.

Auch bezüglich des dringenden Tatverdachts kommt es zu einer neuen Interpretation: In einer Sache wird statt Beihilfe zur Untreue nunmehr Betrug angenommen. Denn bezüglich Beihilfe zur Untreue wird den Einwänden der Verteidigung zugebilligt, daß sie „nicht ganz außer Betracht bleiben" können, also kein dringender Verdacht bestehe.

Anderer Meinung ist das in weiterer Folge angerufene Ober-landesgericht: Es unterstützt wieder die erste Version, geht jedoch nicht auf die Überlegungen der Ratskammer ein. Wohl aber interpretiert es ein Beweismittel der Verteidigung als Tarnungsmanöver.

Was ich damit zeigen will? Bei dringendem Verdacht müssen die wesentlichen Vorwürfe geklärt sein. Dann dürften aber die verschiedenen Instanzen die Sachlage nicht so unterschiedlich beurteilen. Wo Dinge strittig sind, kann doch kein dringender Tatverdacht vorliegen!

Sonst besteht doch die Gefahr, daß die Beweiswürdigung des Untersuchungsrichters die Beurteilung im Hauptverfahren präjudiziert. Geht ein Angeklagter, der viele Monate U-Haft „am Buckel" hat, nicht mit einer schweren Hypothek in die Verhandlung? Besteht nicht die Gefahr, daß, wer lange in Haft ist, deswegen im Prozeß härter angefaßt wird?

Dazu kommen noch die jämmerlichen Haftbedingungen im Grauen Haus in Wien: Auch als Unbescholtener lebt man mit ein bis zwei weiteren Häftlingen auf vier mal zwei Metern zusammen. Zwei bis drei Hocker, ein Mini-Klapptisch und ein optisch kaum abgedecktes WC vervollständigen die Einrichtung. Die Türe bleibt tagein-tagaus zu, die Beleuchtung ist mäßig und wird um 21 Uhr abgedreht. Pro Woche darf man zwei Bücher, zweimal 15 Minuten Besuch empfangen, einmal duschen.

Diese Behandlung nicht rechtskräftig Verurteilter sollte ein Ende haben. Schließlich sieht das Gesetz mildere Mittel vor: Abnahme von Papieren, regelmäßige Meldung bei Gericht...

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