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Die Hungernden haben kein Geld

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In Äthiopien ist es wieder so weit: Hungeralarm ist ange- sagt. Wieder einmal springt als erste die Caritas ein. Dank, daß es sie gibt! Es gibt jetzt aber auch ein wissenschaftliches Werk zum Nachdenken. Zen- trale Aussage: Hunger ist meist nicht ein Problem von zuwenig Nahrungsmittel. Hunger ist ein Problem von zuwenig Geld.

Ein Harvard-Professor (Amartya Sen) und ein frühe- rer Lektor der London School of Economics (Jean Dreze) haben Entwicklungsländer mit Ernährungsproblemen unter- sucht und das Ergebnis in dem Buch „Hunger and Public Action " (Clarendon Press) ver- öffentlicht. Die klare Botschaft des Buches: Hunger ist ver- meidbar, und das gelingt vor allem in Ländern mit demo- kratischen Regierungen!

Hier die Begründung: Wo immer in den letzten Jahren Hungersnöte ausbrachen, wur- den im betreffenden Jahr gleich viel oder sogar mehr Nahrungs- mittel im Land erzeugt oder (wie in Äthiopien 1373) sogar exportiert.

Die Ursache der Hungersnot war immer eine andere: Ent- weder es waren die Preise für Lebensmittel drastisch gestie- gen oder die Masseneinkom- men drastisch gesunken. Die wirkungsvollste Hilfe in einer solchen Situation wären dem- nach nicht Lebensmittelliefe- rungen, sondern Bargeld.

Bargeldhilfen haben auch den Vorteil, daß sie nicht den Verdienst von Händlern des Hungerlandes schmälern und vielleicht ein wenig auch die eigene Wirtschaft befruchten. Außerdem fällt das Vertei- lungsproblem weg, das Lebens- mittellieferungen oft zu Pro- blemfällen werden läßt: Der landesinterne Handel funktio- niert im Zweifelsfall immer besser als das Gabenverteilen durch (oft korrupte) Regie- rungsbeamie.

Und hier liegt die zweite Erkenntnis dieser Studie: Wo eine Regierung wenigstens teil- weise vom Volk abhängig ist, teilt sie auch den ärmsten Schichten eher Mindestein- kommen zu als dort, wo alles ungestraft in die Kröpfe der reichen Machthaber fließen kann.

Auch sind einigermaßen demokratische Regierungen eher geneigt, Wirtschaftsstruk- turen zugunsten jener Massen zu ändern, von denen sie ge- wählt werden möchten. Und natürlich liegt nur in Struk- turverbesserungen eine Lösung auf Dauer.

Eine Geldspritze, damit die Ärmsten der Armen sich Lebensmittel im eigenen Land kaufen können, und interna- tionaler Druck zugunsten ei- ner Demokratisierung wären also die wirkungsvollste Hun- gerhilfe.

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