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Sektentreiben im Judenstaat

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Jerusalem, 10. April Im Staate Israel ist grundsätzlich keinerlei bürgerliche Zurücksetzung mit der Taufe verbunden: der junge Staat hält sich an seine den Vereinten Nationen abgegebene Zusicherung vollster Religionsfreiheit.

Diese Feststellung scheint vielem zu widersprechen, das gegenwärtig über die versuchte Diktatur der jüdischen Orthodoxie Israels in der Weltpresse zu lesen ist. Es muß verstanden werden, daß diese Bestrebungen rein ritueller und nicht dogmatischer Natur sind. Sie zielen auf die Gleichsetzung der im Talmud entwickelten Gesetzgebung der Thora mit dem bürgerlichen Recht. Es soll so weit gebracht werden, daß, wie im Staat der Wahabiten, das ganze öffentliche Leben im Sinne des Ritualgesetzes geregelt ist. Der Glaube des einzelnen hingegen interessiert die orthodoxen Gesetzgeber und solche, die es werden wollen, überhaupt nicht: solange der Bürger am Sabbath weder raucht noch fährt, sich mit den spärlich vorhandenen koscheren Lebensmitteln begnügt, ist er frei, zu glauben, was ihm beliebt.

Diese gewollte völlige Konzentrierung auf von Staats wegen gültige rituelle Tabus ist die tiefe Enttäuschung vieler Menschen im Judentum Israels, die Religion nicht als eine Äußerlichkeit von rituellen Vorschriften betrachten.

Diese Situation erleichtert die Arbeit einer völlig unabsehbar gewordenen Fülle von Sekten, meist amerikanischer Provenienz, die sich der Judenmission in Israel, vor allem in Jerusalem, widmen. Am erfolgreichsten ist aber eine Anzahl neu entstandener Gruppen, die ein nationaljüdisch betontes Christentum lehren. Auf einer Skala, die etwa von der „Judenkirche“ bis zur „christlichen Synagoge“ reicht, wird hier versucht, einem ebionitischen, einem pre-paulinischen Christentum den Weg zu bereiten. Vom Extremismus dieser im Entstehen befindlichen Sekten mag man sich ein Bild machen, wenn man erfährt, daß jüngst auf einem „Kongreß der Judenchristen“ ernsthaft gefordert wurde, alle ausländischen Missionen sollten das Land verlassen und die Judenmission in Israel ausschließlich den Judenchristen überlassen...

Die „Judenchristen“ haben ^eine Führer geistigen Ranges, für ihre Bestrebungen ist ein ephemeres Schwärmertum charakteristisch. Nichtsdestoweniger: sie sind ein Zeichen der Zeit.

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