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Vom Protest in die Politik

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Nachdem es der Geschicklichkeit von Präsident Johnson nach langen Auseinandersetzungen in den beiden Häusern des Kongresses gelungen ist, J. F. Kennedys Bürgerrechtsvorlage Gesetz werden zu lassen, ist die „Negerfrage“ — neben den Meinungsverschiedenheiten über eine „schwache“ oder „starke“ Außen politik — entscheidend in den Mittelpunkt der Kampagne für die Präsidentenwahl im November gerückt.

Demokraten wie Republikaner sind sich weitgehend darüber klar, daß der Ausgang der Wahl sehr wohl davon abhängen mag, ob sich der sogenannte „white backlash“, d. h.

der offensichtlich zunehmende Widerstand gegen die Zivilrechtsbewegung bei weißen Arbeitnehmern und Geschäftsleuten für Senator Goldwater auswirken wird.

Obwohl die Führung der Gewerkschaften AFL-CIO („American Federation of Labor — Congress of Industrial Organisations“) offiziell der Demokratischen Administration ihre Wahlhilfe zugesagt hat, herrscht offensichtlich bei Teilen ihrer Mitgliederschaft, ohnehin durch die unabwendbare Automation beunruhigt, die Befürchtung, daß sich durch eventuelle „Bevorzugung“ farbiger Arbeitsuchender ihre eigene Situation auf dem Arbeitsmarkt verschlechtern muß. Und nicht nur Geschäftsleute sind verängstigt über die Unruhen in einer Reihe von Städten, die in ihrer Wildheit sich grundlegend von den vorherigen „gewaltlosen“ Demonstrationen und disziplinierten Protestkundgebungen der offiziellen Zivilrechtsorganisationen unterschieden. —

Die verantwortlichen Negerführer sind sich dessen bewußt, daß es wahrscheinlich notwendig werden wird, den Schwerpunkt der Organisationsarbeit neu zu verlagern. Jahrzehntelang war das Kampffeld der NAACP („National Association for the Advancement of Colored People“) der Gerichtssaal: In Tausenden und Abertausenden von Fällen haben ihre Rechtsanwälte gegen Benachteiligung und Verweigerung der verfassungsmäßig garantierten Rechte der amerikanischen Staatsbürger schwarzer Hautfarbe Klage eingereicht. Dann begannen Martin Luther King und James Farmer mit der „Southern Christian Leadership Conference“ und dem „Congress for Racial Equality“ den Protest auf die Straße zu tragen, ihn mit den „freedom riders“, den „sit ins“, mit den Mitteln von Boykott und Demonstration öffentlichkeitsbewußt zu machen.

Der eindrucksvolle „Marsch nach Washington“ Ende des Vorjahres bewies, daß auch Massenaufmärsche dabei ruhig verlaufen können.

Aber die Negerverbände waren sich darüber klar, daß es, wie es einer ihrer Führer auf dem Parteitag der Demokratischen Partei in Atlantic City ausdrückte, Zeit sei, den Schritt „vom Protest in die Politik“ zu machen.

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