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Eine große Nachtmusik

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Abend. Ein sehr vorgeschrittener Abend — eigentlich schon Nacht. Unschlüssig dreht die Hand am Sucher des Radioapparats. Einige Takte Tanzmusik … Nachrichten in einer fremden, anscheinend skandinavischen Sprache … eine Arie aus einer Verdi-Oper … Heurigenlieder … der Nachrichtendienst eines kommunistischen Senders … Operettenklänge … Doch halt! Was war das? Eine Melodie, herauszuhören aus tausend. Das tiefe Cello verstummt für einen Moment, es hat die Melodie an die Bratsche abgegeben, ein wenig später nimmt die zweite Geige sie auf. Das war doch, das ist doch … Die Variationen sind zu Ende. Kräftig wiederholen die vier Instrumente die Grundmelodie. Josef Haydn schrieb sie vor einem und einen halben Jahrhundert für seinen Kaiser, für sein Land, für sein Volk. Seither hat sie Österreich und die Österreicher begleitet. In guten und io bösen Tagen. In der Monarchie und in der Republik. Als Kaiserlied und als Bundeshymne. Bis, ja bis zu jenem 11. März 1938, an dem diese Weise genau so zart und innig wie heute erklang, um Abschied zu nehmen. Abschied für immer? Kaum.

Feierlich ist die Melodie nun verstummt, die Geigen . schweigen. Die Stimme des Sprechers meldet sich: Hier ist Berlin, RIAS sendet...

Haydns „Kaiserquartett , gesendet von RIAS, Berlin. Warum nicht! Wir möchten nur nicht so lange warten, bis über denselben Sender die gleiche Weise als Hymne unseres deutschen Nachbarstaates über die Grenzen herüberklingt.

Die berufenen Stellen sind deshalb aufgefordert, nach öffentlich ausgesprochenen

Forderungen und freundlichen Erwägungen zu einer Tat zu schreiten, die dem österreichischen Volk seine Hymne zurückgibt. Endlich.

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