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Der „Ruf nach der Haydn Hymne“ ~ und das Echo

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Kaum ein Thema hat in den letzten Jahren unter den Lesern der Furch eine fo lebhafte, ja leidenschaftliche Anteilnahme gefunden wie die durch einen Aufsatz von Prof. Viktor Keldorfer ausgelöste Diskussion um die Wiedereinführung der alten österreichischen Haydn-Hymiic. Ehrlichen und begeisterten Zustimmungen zu dem Vorschlag des Verfassers stehen Einwände gegen die Wiedererweckung der Haydn-Hymne, besonders in Verbindung mit dem Kernstock-Text, und Billigungen der Mozart-Hymne und des Texte von Paula v. Preradovic entgegen, die gehört wetden wollen. Nachdem wir schon kürzlich einige Zuschriften wiedergegeben haben, beschließen wir heute die bemerkenswerte Debatte durch die gekürzte Wiedergabe einiger besonders hörensweiter Meinungen aus der großen Zahl der Einsender. Wir glauben, damit einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Zeitgeschichte beigesteuert zu haben. Die Entscheidung liegt nicht bei uns. Vielleicht aber haben unsere Mitaibeiter und Leser mitgeholfen, die schwierige Frage einer endgültigen Klärung zuzuführen. „Die Furche“

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Kaum ein Thema hat in den letzten Jahren unter den Lesern der Furch eine fo lebhafte, ja leidenschaftliche Anteilnahme gefunden wie die durch einen Aufsatz von Prof. Viktor Keldorfer ausgelöste Diskussion um die Wiedereinführung der alten österreichischen Haydn-Hymiic. Ehrlichen und begeisterten Zustimmungen zu dem Vorschlag des Verfassers stehen Einwände gegen die Wiedererweckung der Haydn-Hymne, besonders in Verbindung mit dem Kernstock-Text, und Billigungen der Mozart-Hymne und des Texte von Paula v. Preradovic entgegen, die gehört wetden wollen. Nachdem wir schon kürzlich einige Zuschriften wiedergegeben haben, beschließen wir heute die bemerkenswerte Debatte durch die gekürzte Wiedergabe einiger besonders hörensweiter Meinungen aus der großen Zahl der Einsender. Wir glauben, damit einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Zeitgeschichte beigesteuert zu haben. Die Entscheidung liegt nicht bei uns. Vielleicht aber haben unsere Mitaibeiter und Leser mitgeholfen, die schwierige Frage einer endgültigen Klärung zuzuführen. „Die Furche“

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Mit großer Genugtuung las ich kürzlich in Ihrer Zeitschrift Professor Keldorfers Aufruf für die Wiedereinsetzung der Haydn-Hymne und sah mit um so größerem Befremden die Zuschriften einiger Ihrer Leser. Zweifellos sind die Texte der verschiedenen Buudeshymueu, die bei uns fast auf dem laufenden Band erschienen sind, nicht so glücklich gewühlt wie jener der unvergeßlichen Volkshymne. Auch ist die Kritik an einigen Worten des Kernstock-Textes zweifellos berechtigt. Aber wie völlig unchristlich ist da erst die Marseillaise, die man mit gutem Gewissen kaum singen kann oder selbst „God Save the King“, an das man sich reichlich gewöhnt hat. Eigenartig fand ich den Hinweis auf unsere Jugend, die von uns erwartet, daß wir uns zur Zeit bekennen, in die wir hineingestellt wurden. Das hat sie vielleicht im Jahre 1939 auch getan und, Gott sei Dank, haben sich einige von uns zur „Zeit“ nicht bekannt. Unsere Moped- und Skiliftjugend im Strome der Zeit wird früh genug in den Wirbel der Katarakte gerissen werden, und wir wollen hoffen, daß sie sich dann ebenso bewähren wird wie unsere „betagten“ Mummelgreise — wie Adenauer oder Churchill. Unsere Jugend braucht vor allem Führerschaft, die wir ihr nicht gegeben haben, echte Ideale und wirkliches geschichtliches Bewußtsein, um überhaupt stehen und bestehen zu können. Sie soll z. B. auch erfahren, daß das Wort „großdeutsch“ von den kornblumenblauen, bald braun schillernden Nationalliberalen der zwanziger Jahre mißbraucht wurde und daß unsere schwarzgelben, kaisertreuen Vorfahren für das großdeutsche Programm standen. Wenn man heute so richtig herumhorcht, glaubt man oft, daß wir Oesterreicher in zwei Gruppen zerfallen: in Bismarck i an er, die dem „Eisernen Kanzler“ im Retrospekt noch auf den Knien danken, daß er den „Ausschluß“ durchgeführt und uns im Verein mit Italien aus dem Reich hinausgeworfen hat, und in Schöneriane r, die den „Anschluß“ an das vergrößerte kleindeutsche Reich unter Berliner Führung ehrlos erträumen. Die schlotternde Todesangst vor dem Wörtchen „deutsch“ ist jedoch völlig unösterreichisch und würdelos... ebenso unösterreichisch und würdelos wie die feminine Bewunderung des Preußentums. Unseren Bis-marckianern und Schönerianern rate ich, die Krone des Heiligen Römischen Reiches, die wir in Wien bewahren, in Zellophan einzuwickeln und nach Bonn (oder Pankow) zu schicken. Unseren Chamäleons aber, die das braune Hemd ausgezogen, sich dafür die grüne Schürze des Hotellohndieners umgebunden haben, und nun in einem völlig abdizierten, pseudoschweizerischen Klein-Oesterreichertum „machen“, rate ich, unser Schrifttum in zensuriertem Zustand neu herauszugeben. Da darf dann kein Wort darin-stehen von einer Maria Theresia, die ihrer Tochter Marie Autoinette anrät, sich in Frankreich als „gute Deutsche“ zu zeigen oder von einem Franz Josef 1., der sich als deutscher Fürst bekennt oder von einem Andreas-Hofer-Lied in der „ganz Unterrichtssprachen-laud in Schmach und Schmerz“ dasteht. Auch der „gute Kaiser Franz“ sollte als „undemokratisch“ kassiert werden. Schon unserer Jugend wegen dürfen wir unsere Vergangenheit nicht aufgeben, denn die Zukunft beruht auf dieser Vergangenheit, und die Gegenwart.. . diese berühmte Gegenwart ist nur Grenzmoment zwischen Vergangenheit und Zukunft. Es gibt kein stolzes, kämpferisches Oesterreichertuni ohne Ueberlieferung und ohne Glauben. Die „Bundesrepublik Deutschland“, die ebenso verzweifelt nach echter Tradition Ausschau hält, wie so mancher verwirrte Oesterreiche', hat nun die Haydn-Hymne adoptiert und „God Save the King“ fallengelassen. Daraufhin sollen wir, als beleidigte Leberwürste auf unser Erbe verzichten? Immer wieder abdanken, aufgeben, sich zurückziehen, verzichten, leise raunzen — ist das wirkliches Oesterreichertuni?

Erst heute ist es mir möglich, meiner Freude über den Aufsatz „Ruf nach der Haydn-Hymne“ von Professor Keldorfer Ausdruck zu geben. Er widerlegt darin wohl alle Einwendungen, die man gegen sie vorbringen kann. Wenn nun aber doch in einer Antwort die Meinung vertreten wird, daß unsere Jugend kein Verlangen nach der Haydn-Hymne zeige, so ist dazu festzustellen, daß wir doch alles tun, um die Haydn-Melodie totzuschweigen. Wie soll die Jugend sie da kennenlernen? Wenn die Hymne etwa in der Kernstock-Fassung bei passenden Anlässen gesungen würde und wenn etwa öfter auch das Kaiserquartett gespielt würde, dann wäre das sicher wirksam; oder stört vielleicht der Name des Quartetts? Dann müßten wohl auch alle alten Märsche, die mit ihrem Namen an die Monarchie erinnern, in die Versenkung verschwinden. Schämen wir uns doch unserer Geschichte nicht!

Ein Auslandsösterreicher beteiligte sich an der Diskussion um unsere Hymne und schrieb in einem in der „Furche“ vom IS. Februar abgedruckten Briefe an den Herausgeber von dem „Kopfschütteln“. Dieses „Kopfschütteln“ kann sich doch wohl nur auf einen Teil der Auslandsösterreicher beschränken. Die Mehrzahl jener Heimatvertriebenen, die man gemeiniglich „Emigranten“ zu nennen pflegt und die den höchsten Hundertsatz des Auslandsösterreicher-tums ausmacht, will wirklich „unsere Voikshymne“, die Haydn-Hymne, sofern Parteivorurteile nicht im Spiele sind. Diese Auslandsösterreicher finden, daß Hammer und Sichel in den Fängen des „schröklichen Vogels“ zu weit bedenklicheren Mißverständnissen führen als die Haydn-Hymne, die uns seit dem ersten Schultag durchs Leben begleitet hat. Mögen Oesterreichs Ahnen auch da und dort Slawen, Romanen oder Madjaren gewesen sein, sie alle waren geformt von der deutfehen Kultur österreichischer Prägung, vom alten Oesterreich mit dessen unnachahmlicher Befähigung, ursprünglich Fremdes zu assimilieren und zu absorbieren, und das ist „deutsche Arbeit ernst und ehrlich, deutsche Liebe zart und weich“. Es geht nicht um die „Glorifizierung“ der Vergangenheit, sondern um die Bewahrung der Ehrfurcht vor ihr und der Geschichte unseres Vaterlandes. In England hat man Sinn für derlei Dinge und deshalb trägt auch ein englisches Husarenregiment (nun längst motorisiert als Tankregiment), dessen Inhaber Kaiser Franz Josef 1. „für immerwährende Zeilen“ ist, den doppelköpfigen altösterreichischen Adler als Kappcn-emblem. Wir aber fürchten uns vor „Mißverständnissen“ und halten „Tradition“ für ein überflüssiges Fremdwort,

Die Aeußerung über die Haydn-Hymne von Frau Dr. Nadine Paunovic verdient in vollem Maß Publizierung in weitestem Kreis und Zustimmung aller Oesterreicher. Die musikalisch herrliche Haydn-Hymne aitsprach in ihrem Text durchaus den unklaren, von Ressentiments erfüllten zwanziger und dreißiger Jahren, in denen viele Oesterreicher glaubten, in betont großdeutscher Orientierung ihr Heil und das des Staates suchen zu müssen — heute ist sie eine historische Erscheinung. Wichtiger als wehmütige Betrachtungen über die alte Hymne scheint es mir, entschlossen in die österreichische Zukunft zu blicken und alles zu tun, um jedem Staatsbürger klarzumachen, daß Oesterreich und Deutschland ethnisch, historisch und politisch verschiedene Körper sind und daß auch das immer wiederkehrende Gerede von der „Kultur- und Schicksalsgemeinschaft“ eine gefährliche Vorstufe zu neuen Anschlüssen bedeuten kann. Ich weise in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die Jugenderziehung in Oesterreich meines Erachtens bisher zu einseitig die Bedeutung der germanischen Landnahme seit dem Frühmittelalter betont hat und die lückenlose und zahlenmäßig sehr beträchtliche Bevölkerungskontinuität von den lllyrieru über Kelten, Romaneu, im Osten auch Slawen, Awaren einfach verschwiegen hat. Ich glaube, daß hier, in den Schulen, die entscheidende Schlacht um die Zukunft Oesterreichs geschlagen wird. Die historische Ausbildung in Oesterreich stand aber leider größtenteils ganz unter dem Einfluß großdeutscher Thesen, das ist eine der Hauptursachen des mangelnden Staatsbewußtseins!

Vom Zeit zu Zeit tauchen in der Oeffentlichkeit in bezug auf unsere Bundeshymne Ideen auf, die man nicht als sehr realistisch bezeichnen kann. Eine Revision in jeuer Richtung, die da angestrebt wird, ist nicht möglich, aus rein politischen Gründen, die sich nun einmal nicht ändern lassen! Unsere Bundes-hymne, von der katholischen Dichterin Paula von Preradovic auf die Melodie von Mozart — dem wir die herrlichsten Melodien in der Kirchenmusik verdanken — verfaßt, ist anerkanntermaßen in Text und Melodie wahrhaft künstlerisch empfunden! Wir haben endlich unsere Nationalhymne und wollen doch nicht bei der heranwachsenden Jugend die Achtung vor unserer Hymne untergraben. Waren wir nicht Zeugen, mit welcher Innigkeit diese Jugend „Land der Berge, Land am Strome“ erklingen läßt — denken wir nur an die Kundgebungen der Katholiken auf dem Stephansplatz vom 27. April und 15. Mai vergangenen Jahres!

Wie Dr. Paunovic richtig feststellt, ist die Bundeshymne für die jüngere Generation kein Problem mehr. W.ir müssen uns klar werden, daß die alte Haydn-Hymne, so wertvoll sie als musikalisches Stück sein mag (wir werden sie in Konzertform bei weihevollen Anlässen immer gern hören), als Staatshymne fitr uns untragbar ist. Auch der Text Kernstocks ist sehr zeitgebunden und hatte nicht mehr brauchbar. Ich möchte nicht behaupten, daß der jetzigen Bundeshymne der „mitreißende Schwung“ fehlt. Verschiedene Anlässe haben gezeigt, daß sie schon tief ins Volk gedrungen ist. Ihr Text ist aus den bitteren Erfahrungen mit den nationalistischen Wellen, die quer durch Europa gingen, herausgewachsen und weist wie kein anderer auf die völkerverbindende Mission Oesterreichs und der Oesterreicher hin. Dazu haben wir hier einen Text, den alle Oesterreicher guten Willens uneingeschränkt bejahen können und auch bejahen werden. Besonders möchte ich aber auch darauf hinweisen, daß es auch aus staatspolitischen Gründen unmöglich ist, die alte Haydn-Hymne wieder einzuführen. Sie ist nun einmal die Staatshymne der deutschen Bundesrepublik, und mit etwas Common Sense kann man leicht erkennen, daß mit ihrer Wiedereinführung Mißverständnissen (und Mißbräuchen Uebelgesinnter) Raum gegeben würde. Hat die Bundeshymne Mozarts mit den Worten der großen Dichterin Paula von Preradovic durch die vorbildlich bestandene Prüfungs- und Bewährungszeit des österreichischen Volkes während der letzten zehn Jahre nicht eine Weihe erhalten, die ihr einen dauernden Platz als Bundeshymne inmitten unseres Volkes sichert? Wir müssen uns mit liebevoller Verehrung und Hochschätzung der Vergangenheit (so dies möglich ist) mit allen Kräften den Aufgaben der Gegcntvart und der Zukunft widmen und dabei alle sentimentalen- und romantischen Erinnerungen an die Vergangenheit, soweit sie in unserem Oesterreich keinen Platz mehr haben, begraben. Der nächsten Generation wird die Bundeshymne Mozarts das Lied ihrer Väter sein, unter dem sie sich ihre volle Freiheit und Unabhängigkeit zurückerrungen haben. Und sie werden uns dankbar sein, wenn wir ihnen die Bundeshymne Mozarts übergeben-, denn sie ist doch der passendste und treffendste Ausdruck dessen, was unser jetziger Außenminister Ing. Figl einmal bekannte: „Wir wollen nichts anderes sein als Oester-reicher, dies aber vom ganzen Herzen!“

Wir freuen uns und gratulieren, daß Sie endlich einer vernünftigen Ansicht über unsere Bundeshymne Raum gegeben haben. Was Frau Dr. Nadine Paunovit in der „Furche“ vom IS, Februar schreibt, ist Millionen von jungen Oesteneichern aus der Seele gesprochen. Mögen die Alten die alte Hymne weitersingen, wir, die Jugend, sind die Zukunft unseres Volkes und wollen die Mozart-Hymne.

Der Ansicht des hochgeschätzten Herrn Viktor Keldorfer nach Wiedereinführung der Haydn-Hymne kann ich als Lehrer nicht beipflichten. Jede Hymne braucht Jahrzehnte, um einigermaßen populär zu werden. Nun haben wir uns in den Schulen zehn Jahre mit der Mozart-Hymne geplagt, langsam wird sie Gemeingut des Volkes, und nun sollen wir im Verlauf von 40 Jahren das fünftemal eine Aeuderung vernehmen? Es ist richtig, daß die Melodie der Mozart-Hymne nicht so leicht ins Gehör geht wie einst die Haydn-Hymne. Der Text, den uns Paula von Preradovic schenkte, ist großartig, weihevoll und doch ferne jeder Phrase. Alles in allem: ein würdiges und gutes Weihelied. Der gewichtigste Vorzug gegenüber der Haydn-Hymne aber besteht darin, daß unsere jetzige Bundeshymne von allen Parteien und Lagern anerkannt ist und gesungen wird, ein wirklich einigendes Band, würdiger Ausdruck eines kleinen Staates, der bewußt innen- wie außenpolitisch einen neuen Weg, nämlich den der Verständigung und Zusammenarbeit geht. Wenn wir die Mozart-Hymne singen, kann uns niemand einen falschen Text unterlegen. Ein letzter Gedanke: Ich glaube, daß für die Wiedereinführung der Haydn-Hymne nicht nur keine Einstimmigkeit zu erreichen wäre, sondern aus diesem Anlaß ein neuer und, gemessen an anderen Problemen, höchst überflüssiger Streit entstehen würde, der sich selbst dann nicht lohnen würde, wenn die geltende Bundeshymne um vieles weniger gut wäre, als sie doch tatsächlich ist. Bleiben wir darum bei der einmal getroffenen Entscheidung, und längstens unsere Enkelkinder werden mit Stolz und Freude die Mozart-Hymne als selbstverständlichen Ausdruck ihrer Heimatliebe federzeit singen.

Volksschuldirektor Karl B älter 1 e, St. Pölten *

Der in vieler Hinsicht aufschlußreiche Artiliel von Prof. Viktor Keldorfer enthält eine Stelle, die besser unterblieben wäre. Es handelt sich um die Ausführungen Keldorfers über Kernstock. Wenn es dem Verfasser gestattet sein mag, seinen Freund Kernstock als unverdächtig darzustellen, müßte doch vor allem die Jugend darüber aufgeklärt werden, aus wessen Feder der Text stammt, den sie als österreichische Hymne bei vaterländischen Festen singen sollte. Fiat doch diese Feder — nebst vielen anderen ähnlichen — z. B. folgende Verse geschrieben: Steirische Holzer, holzt mir gut Mit Büchsenkolben die Serbenbrut! Steirische Jäger, trefft mir glatt Den russischen Zottelbären aufs Blatt! Steirische Winzer, preßt mir fein Aus Welschlandfrüchten blutroten Wein! Daß diese Worte aus der Feder eines Priesters stammen, ist eine Tatsache, die eine Zeitschrift, deren Ziel es ist, christliche Belange zu vertreten, wohl nur bewegen könnte, den Namen des „Dichters“ aus ihren Spalten zu löschen und sein literarisches Wirken mit dem Mantel der christlichen Nächstenliebe zu bedecken.

Ich habe mich seinerzeit, 1945, als uns die Haydn-Hymne genommen wurde, dagegen ausgesprochen. Meine Meinung war, daß man die Deutschen veranlassen . uisse, sich eine neue Hymne zu schaffen. Deutschland hat dreimal seine Nationalhymne „entlehnt“: das erstemal von England („Heil dir im Siegerltranz“), das zweitemal von Oesterreich („Deutschland, Deutschland über alles“) und das drittemal einem Marinereservistenlied (der Gassenhauer des Horst-Wessel-Lieds). Die neue deutsche, von Rudolf Alexander Schröder geschaffene Hymne hat sich nicht durchgesetzt. Als einen auf Zeit gedachten Kompromiß hat man sich entschlossen, die dritte unverfängliche Strophe des Hoffmannschcn. Liedes als Nationalhymne zu dekretieren. Gesungen wird seit langem schon wieder mit Verliebe die angeprangerte erste!

Die Haydn-Hymne mußte dreimal umgedichtet weiden („Gott erhalte Franz den Kaiser“, „Gott erhatte, Gott beschütze uuseru Kaiser, unser Land“ und „Sei gesegnet ohne Ende“), eine vierte Neudichtung wäre nicht zu umgehen. („Deutsche Arbeit, deutsche Liebe . ..“, abgesehen von dem Beigeschmack ist das einfach Kitsch!). Die Ausrede, die Hymne sei deshalb überlegen, weil sie bekannt - sei, zieht also nicht. Auch die Alten müßten umlernen und die Jungen neu lernen.' Warum die Mozart-Hymne so unbekannt ist? Ist sie ja gar nicht! Die Kinder lernen sie in der Schule, und wer von den Erwachsenen sie kennen will, hat sie längst gelernt. Wir sind in Oesterreich ja gottlob sowieso nicht so, daß wir unsere Buudeshymne bei jeder Gelegenheit strapazieren.

Ich habe 1943 in der Heeresnachrichtenschule Halle und 1944 in der Braunschweiger Hütte an der Wildspitze mit meinen Freunden unter Protest der anwesenden Reichsdeutschen das Kernstock-Lied gesungen. Damals gab es freilich die Mozart-Hymne noch nicht. Ich würde es sehr bedauern, wenn man abermals die Hymne wechselt und dafür eine eintauscht, die uns ewig'öffentlich mit unserem Nachbarvolk identifiziert. Man sollte lieber die strahlend jugendschöne Mozart-Hymne ruhig etwas öfter hören lassen und in wenigen Jahren ist die Haydn-Hymne vergessen. Dagegen möchte ich nicht auf das Kaiserquartett von Haydn verzichten.

Als geborener Südtiroler, Inhaber der österreichischen „Silbernen“ (1915) und des Frontehrenzeichens, seit 192S in Bayern eingebürgert und beruflich tätig, hat mich die Kunde über das Für und Gegen die österreichische Bundeshymne doch irgendwie beeindruckt. Es sei mir gestattet zu bemerken, daß Ich, angefangen von dem ersten Einwand bis zu dem Einwand Nummer 7 in den Ausführungen von Professor Keldorfer keine stichhaltige Entgegnung finden konnte. Daß man in Oesterreich „Deutsche Arbeit, ernst und ehrlich“ singen soll, ist doch schon, nebenbei bemerkt, eine etwas komische Sache. Als ich im vorigen Jahre zum ersten Male die neue Bundeshymne über den Rundfunk hörte, war mein erster Gedanke: Das ist Oesterreich. Ich kann es verstehen, wenn Hofrat Prof. Keldorfer nun für die Haydn-Hymne einsteht. Das aber von ihm seihst so außerordentlich schön und instrumental feierlich gestaltete Mozartsche „Bundeslied“ ist es wert, Oesterreichs Buudeshymne zu bleiben. Der Text könnte doch geändert werden. Zu den sieben zitierten Einwänden sei mir erlaubt, einen „achten“ Einwand anzufügen: Wenn unser Joseph Haydn das Oesterreich gesehen hätte, wie es heute aussieht, dann hätte er bestimmt eine andere Bundeshymne komponiert. Ich wage es zu glauben, daß kein ernsthafter Musiker anderer Meinung sein kann. „Gott erhalte, Franz den Kaiser, unseren guten Kaiser Franz. ..“ dazu gehörte die Haydnsche Melodie.

Tempora mutantur.

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