6579970-1951_12_02.jpg
Digital In Arbeit

Der Verzicht ins Blaue

Werbung
Werbung
Werbung

Wenn sonst kein Vorschlag der Salzburger Tagung der Volkspartei über parteipolitische Grenzen hinaus Zustimmung hervorgerufen haben sollte, so war es unstreitig der, die Pseudo-Mozart-Arie als österreichischen Vaterland sgesang verschwinden zu lassen und die Haydn-Hymne wieder in ihre Rechte einzusetzen. Welche Motive waren denn damals maßgeblich für jenen Beschluß der ministeriellen Kommission, der sofort mit dem entschiedenen, von der „Furche“ verdolmetschten Widerspruch der breitesten Öffentlichkeit beantwortet wurde? Das ausschlaggebende Argument war die Rüdesicht auf das Ausland: es werde mißliche Situationen, schädliche Folgen hervorbringen, etwa gar, wenn das Spiel der Haydn-Hymne an das „Deutschland, Deutschland über alles“ erinnern werde. Der Einwand, daß die Übernahme der Haydnschen Komposition für dieses Lied unter völliger Veränderung des Rhythmus und des erhabenen Maestoso der österreichischen Hymne geschehen sei, fruchtete nichts, auch nicht der Hinweis, daß das Prayer-Book, das offizielle Gesangbuch der anglikanischen Hochkirche, das Haydnsche Tonwerk seit mehr als hundert Jahren für einen religiösen

Text gebrauche, ohne daß deshalb ein Engländer aus Erinnerung an das Deutschlandlied in Ohnmacht gefallen sei. Die zarten Bedenken, auch nur irgendwo Mißverständnisse eines Uninformierten zu wecken, quollen so reichlich aus der Brust von diplomatisch beflissenen Politikern und einberufenen Votanten, daß alle Gegengründe an den sanften Gefühlen frommer Denkungsart und Rücksichtnahme auf irgendwelche westliche Auslandsempfindlichkeiten obsiegten. Unser Volk auf seine Hymne„ auf die schönste im Chor der nationalen Staatsgesänge zu verzichten hatte. Der Ertrag war, wie man wohl am Rande bemerken darf, gering. ..

Was sich seither abgespielt Jhat, Wenn es die österreichische Staatshymne zu intonieren galt, und die Leute die angebliche offiziell gemachte nicht kannten oder nicht singen oder spielen wollten, das war die Abwandlung einer rohen Auswahl von beliebten Liedern, von „O du mein Österreich“ bis zur „schönen blauen Donau“; es haben nur noch das „Fiakerlied“ und der „Liebe Augustin“ gefehlt.

In der Tat, es ist Zeit, mit dem Trauerspiel einer österreichischen Staatshymne ein Ende zu machen, die zwar als solche auf dem Papier dekretiert, aber nie vom österreichischen Volke als solche anerkannt worden ist.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung