6768360-1968_43_16.jpg
Digital In Arbeit

„… so entstand unser Volkslied“

19451960198020002020

Der Weg Österreichs zur Staatsform der Gegenwart kann mit seiner ganzen Problematik nicht besser sichtbar werden, als in der Geschichte seiner Hymnen. Franz Grasberger hat sie in seinem soeben erschienenen Buch „Die Hymnen Österreichs“ (Tutzing: Hans Schneider, 200 Seiten) mit allen Einzelheiten dargestellt. Die „Furche“ nahm an der Frage der Bundeshymne nach dem zweiten Weltkrieg intensiv Anteil. Wir geben daher den folgenden Ausführungen gerne Raum.

19451960198020002020

Der Weg Österreichs zur Staatsform der Gegenwart kann mit seiner ganzen Problematik nicht besser sichtbar werden, als in der Geschichte seiner Hymnen. Franz Grasberger hat sie in seinem soeben erschienenen Buch „Die Hymnen Österreichs“ (Tutzing: Hans Schneider, 200 Seiten) mit allen Einzelheiten dargestellt. Die „Furche“ nahm an der Frage der Bundeshymne nach dem zweiten Weltkrieg intensiv Anteil. Wir geben daher den folgenden Ausführungen gerne Raum.

Werbung
Werbung
Werbung

Gegen Ende des Jahres 1796 befand sich Österreich in einer sehr bedrängten militärischen Lage, das Land war im Innern unruhig und besorgt. Eine gewisse Rivalität zwischen Kaiser Franz und dem militärisch erfolgreichen Erzherzog Karl wurde von Franz v. Thugut, dem Lenker der politischen Geschicke des Reiches, noch zum Mißtrauen des Regenten gegen seinen Bruder gesteigert, das auf die Haltung Franz II. im Kampf gegen Napoleon abzufärben begann. In der Innenpolitik spielte Franz Josef Graf von Sauraiu als Regierungspräsident von Niederösterreich eine bedeutende Rolle. Er genoß das besondere Vertrauen des Kaisers, da die persönliche Beziehung zwischen Franz II. und dem Grafen noch auf die Zeit zurückging, als Joseph II. den jungen Adeligen seinem Neffen als Gesellschafter zugeteilt hatte.

Man kann dem Grafen Sauraju also Glauben schenken, wenn er sich später darauf beruft, der Anreger des „Gott erhalte“ gewesen zu sein. Er hat mit seinem Schreiben vom 28. Februar 1820 dem Hofmusikgra- fen Moritz Dietrichstein Joseph Haydns Originalhandschriften des Liedes überreicht und dabei erklärt: „Oft habe ich bedauert, daß wir nicht gleich den Engländern ein Nazional- lied hatten, das geeignet wäre die treue Anhänglichkeit des Volkes an seinen guten und gerechten Landesvater vor aller Welt kund zu thun, und in den Herzen aller guten Österreicher jenen edlen Nazional- stolz zu wecken der zur energischen Ausführung jeder von dem Landesfürsten als nützlich erkannten Maßregel unentbehrlich ist. Dieß schien mir besonders in dem Zeitpunkte notwendig, wo die Revoliuzion in Frankreich am heftigsten wüthete und wo die Jakobiner sich mit der vergeblichen Hoffnung schmeichelten, unter den guten Wienern Anhänger und Theilnehmer ihrer verbrecherischen Anschläge zu finden.

Ich habe von dem verdienstvollen Dichter Haschka den Text machen laßen, und um es in Musik zu setzen, mich an unseren unsterblichen Landsmann Haydn gewendet, den ich allein fähig hielt, etwas zu machen, das dem englischen god save the King gleichkäme; so entstand unser Volkslied!“

Graf Saurau hatte Lorenz Leopold Haschkas Text Mitte Oktober 1796 in Händen, und Haydns Komposition war Ende Jänner 1797 fertig. Der Februar, der Geburtstag des Kaisers, war nämlich vom Grafen Saurau für die feierliche Wiedergabe des neuen Liedes ausersehen. An diesem Tage wurde dann auch das „Gott erhalte“ im „Nationaltheater“ (dem alten Burgtheater) in Wien „zum ersten Mahle abgesungen", wie es auf dem Erstdruck heißt.

„Deutsch-Österreich, du herrliches Land“

Ein gefestigtes Staatsbewußtsein war von der durch Unglück, Not und Zwietracht erschütterten 1. Republik nicht zu erwarten, hatte sie doch zu kämpfen, überhaupt die notwendigste zentrale Regierungsgewalt zu erreichen. Für eine Hymne als Ausdruck des nationalen Selbstgefühles konnte damals nicht die Zeit sein, obwohl sich sogleich mit der Geburtsstunde der Republik diesbezügliche Bestrebungen einstellten. Alle diese Versuche sind teilweise durch Karl Renners Hand gegangen. Vielleicht ist der Staatskanzler dadurch angeregt worden, selbst einen Hymnentext zu verfassen, zumal auch von der staatlichen Repräsentation her der Bedarf gegeben war. Über das Zustandekommen seiner Hymne „Deutsch-Österreich“ hat Karl Renner folgende Aufzeichnung hinterlassen: „Die Republik Österreich war inmitten des Zusammenbruches des alten Habsburgerreiches aus den deutschen Ländern dieses Reiches begründet worden; Die alte Kaiserhymne konnte natürlich für sie nicht übernommen werden. Das Bedürfnis nach einer Hymne für die Republik wurde zuerst von militärischer Seite geäußert. Die kleinen Truppenbestände, welche die Republik besaß, mußten auf sie vereidigt werden. Die Truppenkommandos bestürmten das Kanzleramt um eine Hymne. Sie mußte gleichsam über Nacht geschaffen werden.“

Der Staatskanzler war seit Jahren mit Wilhelm Kienzl, dem Komponisten der Oper „Der Evangelimann“, bekannt und suchte ihn Anfang Mai 1920 auf, um eine Vertonung seines Gedichtes zu besprechen.

Am 9. Mai trägt Kienzl ein:

Ich komponierte an der Nationalhymne…“ Und am 10. Mai: „. Dann arbeitete ich meine Nationalhymne .Deutsch-Österreich’ fertig aus, schrieb sie ins reine und trug sie… selbst mit einem Brief zu Dr. Renner…“ Donnerstag, den Mai 1920: „Mit Renner wegen meiner Hymne gesprochen, die ihm sehr gefällt und von der er mir ein Exemplar übergab, das in Auto- graphie hergestellt ist..

Da man auf eine Dekretierung der Renner-Kienzl-Hymne verzichtete, entstand in den Jahren nach dem Zusammenbruch der Monarchie ein sehr uneinheitliches Bild, das irgendwie die Unausgeglichenheit der Staatsauffassung widerspiegelt. Wäre die Kienzl-Hymne musikalisch wirklich zündend gewesen, hätte sie vielleicht Haydns Melodie vergessen lassen können, aber neben dieser Vollkommenheit mußte jeder Versuch vergeblich bleiben. Insofern ist es zu verstehen, daß man immer wieder versucht hat, die Melodie von Joseph Haydn für den österreichischen Staat neu aufleben zu lassen. So hat Ottokar Kemstock schon 1919 Haydns Weise sein Gedicht „Sei gesegnet ohne Ende’“ unterlegt, und private Kreise waren schon seit 1922 sehr bemüht, das alte Lied mit dem neuen Text als Bundeshymne durchzusetzen. Dazu kam, daß die „Gott-erhalte“-Melodie am 11. August 1922 mit dem Text „Deutschland über alles“ von August Heinrich Hoffmann v. Fallersleben offizielle Nationalhymne der Republik Deutschland wurde. Die Bestrebungen, in Österreich die Haydn-Kem- stock-Hymne zu fördern, hatten bereits einen politischen Anstrich, so wie das Festhalten an der Renner-Kienzl-Hymne Angelegenheit des anderen politischen Lagers war. Um 1929 besitzt Österreich offiziell keine Nationalhymne, in der Praxis aber zwei, wie dies aus den für den Schulgebrauch approbierten Liederbüchern deutlich hervorgeht. Der neue österreichische Staat war zu jung und die Einstellung seiner Bürger zu widerstrebend uneinheitlich, als daß für eine gemeinsame Hymne überhaupt die allgemeinen Voraussetzungen gegeben sein konnten. Österreich sah sich aber immer mehr vor die Notwendigkeit gestellt, eine Staatshymne zu besitzen. Als man sich auf Regierungsebene mit dieser Frage zu beschäftigen begann, bedeutete dies schließlich den Sieg des einen Lagers über das andere.

„Sei gesegnet ohne Ende“

Der entscheidende Anstoß für die Einführung einer österreichischen Bundeshymne kam wieder einmal mehr von militärischer Seite. Im Ministerrat vom 13. Dezember 1929 wurde bei einem Vortrag des Heeresministers diese Frage behandelt.

Der diesbezügliche Punkt im Beschlußprotokoll über die 603. Sitzung des Ministerrates hat folgenden Wortlaut:

„Einführung einer neuen österreichischen Bundeshymne.

Antrag des Vizekanzlers Vaugoin, der Ministerrat wolle beschließen, die frühere Hymne von Josef Haydn mit dem Text von Ottokar Kernstock in 3 Strophen (1., 2. und 4. Strophe) als .österreichische Bundeshymne zu erklären.“

Zur Vermeidung von Mißverständnissen wird bemerkt, daß gegen das Singen des .Deutschlandliedes’, welches dieselbe Weise hat, bei Anlässen, die einen offiziellen Charakter nicht an sich tragen, selbstverständlich wie bisher keine Bedenken obwalten.

Ausdrücklich wird hinzugefügt, daß die bisher bei offiziellen Anlässen gesungene Renner-Kienzlsche Hymne, die niemals als Bundeshymne erklärt wurde, nicht mehr offiziell gebraucht werden darf.“

Acht Jahre später war ein „offizieller Ahlaß“ für das Deutschlandlied gegeben…

„Land der Berge"

Nach dem zweiten Weltkrieg setzten neue Versuche zur Wiedererwek- kung der alten Hymne für Österreich ein. Aber die Belastung dieser Melodie mit dem äußeren Geschehen schien diesmal noch schwerwiegender zu sein als nach dem Zusammenbruch 1918. Trotzdem es viele und gewichtige Stimmen gab, die das Haydnsche Lied für die Zweite Republik als Hymne eingerichtet wissen wollten, konnte man sich nicht dazu entschließen; die Meinungen waren zu widersprechend. Ein Preisausschreiben wurde beschlossen,

das Mozarts(?) „Bundeslied“ mit einem Text von Paula Preradovic als neue Bundeshymne zum Ergebnis hatte. Nun mußte diese Hymne von Anfang an mit dem Vergleich zur Haydn-Hymne kämpfen, zumal sie selbst nicht ohne kritische Betrachtung geblieben war, well Mozart als Komponist nicht zweifelsfrei feststand. Die Melodie hatte sich als Feierlied vom frühen 19. Jahrhundert an lebendig erhalten und war mit verschiedenen Texten allgemein gebräuchlich, eignete sich vom Duktus her besonders für ein Nationallied.

Inzwischen hat die umstrittene Hymne mehr als ein Jahrzehnt Zeit gehabt, sich einzuleben, und man kann heute feststellen, daß es ihr geglückt ist, im Staatsbewußtsein der Österreicher Wurzel zu schlagen. Ihr Schöpfer dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit Johann Holzer sein, ein mit Mozart befreundeter und • in Wien beheimateter Komponist, dessen Lieder weit über den Durchschnitt seiner Zeit hinausragen. Natürlich wird es immer schmerzlich bleiben, daß Österreich in Haydns Lied einen so herrlichen Nationalgesang besitzt und ihn nicht anwenden kann, aber die Melodie der heutigen Bundeshymne bringt aus der Mozart-Zelt eine Würde mit, die ihr das Bleibende sichert Man hat lange Zeit ohne allzugroße Bedenken die Melodie Mozart zuge- schrieben, weil sie in der Erstausgabe von Mozarts letztem vollendetem Werk enthalten war. Wir wissen nun eindeutig, daß sie zwar mit der Freimaurerkantate musikalisch nichts zu tun hat daß sie aber aus dem geistigen Umkreis, dem dieses Werk angehört, hervongegangen ist. Die Probleme um die Melodie sind dadurch entstanden, daß dieses Lied dem Werk Mozarts beigegeben wurde, man aber nicht mit Bestimmtheit sagen kann, ob auch die Melodie tatsächlich von Mozart stammt. Für die „Freimaurerkantate“ ist Mozarts Originalhandschrift vor- handen, für das anschließende Lied fehlt sie. Diese kleine Komposition ist auch nicht in Mozarts eigenhändigem Werkverzeichnis enthalten. Der philologische Befund spricht also durchaus nicht für eine Autorschaft Mozarts.

Die Mozart-Forschung hat bis vor kurzem noch immer von einem Anhang zur Kantate gesprochen. Eines steht fest: das Lied gehört nicht zur Kantate, aber zum Anlaß, für den sie komponiert wurde. Das der Kantate im Erstdruck nachgestellte Lied ist ein „Kettenlied“, das offensichtlich mit einer freimaurerischen Tempelweihe verbunden war. Es liegt die Vermutung nahe, daß dem Druck der Freimaurerkantate, die für die Feier einer Tempelweihe komponiert wurde, gleichsam zur Erinnerung an alle, die bei dieser Tempelweihe dabei waren, ein Lied mitgegeben wurde, das damals von allen Anwesenden gesungen wurde, auch wenn es nicht von Mozart war. Eine Ori- ginalhahdschrift für dieses Lied ist nicht erhalten.

So sieht zur Zeit der Stand der Untersuchung aus. Wenn nicht noch Zufallsfunde helfen, bleibt die Autorschaft der Hymne nach wie vor unsicher. Dies soll aber uns selbst in keiner Weise unsicher machen, denn nicht zuletzt darf man doch als Beweis für die Güte dieser Melodie die Tatsache nehmen, daß sie heute einen festen Platz in unserer inneren Einstellung zu Österreich einnimmt und ein kräftiger Zeuge des Staatsbewußtseins geworden ist.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung