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Deutsch ist der Text, aber österreichisch die Musik
Eine Frage an Musikbegeisterte: Welcher österreichische Komponist wird in deutschen Landen am häufigsten aufgeführt? Udo Jürgens, Wolfgang Amadeus Mozart, Robert Stolz? Alles falsch. Papa Haydn ist's, hätten Sie's gewußt?
Es vergeht kein Tag zwischen Aachen und Aschersleben, an dem Österreichs klassischer Methusalem nicht musiziert würde. Allerdings erkennt der zartbesaitete Musikfreund, in dem, was da geblasen, gepfiffen, gestrichen und getrommelt wird, nicht immer das Original, den zweiten Satz eines der schönsten Streichquartette, das Joseph Haydn in seinem ertragreichen Komponistenleben je gelungen ist. Vernimmt man des Meisters vornehme Kammermusik in der Interpretation einer gesamtdeutschen Militärkapelle, dann denkt man weniger an Österreich und Ungarn, an Wien und Eisenstadt als an Potsdam und Preußen, an „Deutschland, Deutschland", und zwar „über alles". Es erfüllt einen Österreicher in preußischen Diensten stets von neuem mit klammheimlichem Stolz, daß die Deutschen mangels eigener musikalischer Möglichkeit ihren Bundestext auf die Melodie eines Österreichers, eines Burgenländers gar, singen müssen.
Freilich, mit dem Originaltext der österreichischen Kaiserhymne haben sich Österreichs Literaten nicht gerade mit Ruhm bekleckert. „Gott erhalte Franz den Kaiser" ist zwar freundlich gemeint, aber kein poetischer Wurf.
Und weil derzeit ja auch kein Kaiser Franz staatlich erhalten und musikalisch unterhalten werden muß, ist es vielleicht ganz gut, daß ein gewisser Hoffmann von Fallersleben vor 150 Jahren die feine Melodie mit einem neuen Text unterlegt hat.
Es war dies, das kann man sich heute kaum mehr vorstellen, ein durchaus „linker" Text. Er forderte nichts weniger als „Einigkeit in Recht und Freiheit", was im Vormärz einem revolutionären Appell gleichkam. Der Germanistik-Professor aus Niedersachsen hatte freilich leicht revolutionär schreiben, saß er doch auf Helgoland, und das war damals noch fest in britischer Hand.
Kein Text dieser Welt ist vor
Mißinterpretation und mißbräuchlicher Verwendung geschützt. Und so wurde im Laufe der wechselhaften deutschen Geschichte der letzten hundertfünfzig Jahre aus dem demokratischen Kampflied gegen Tyrannei und Kleinstaaterei nicht nur die deutsche Nationalhymne, sondern leider auch ein Protzlied der Nazis. Dies wiederum brachte Hoffmanns Deutschland-Lied bei den Nachkriegsdemokraten in Verruf. Heute sieht man das alles wieder viel lockerer, Frau freilich nicht. Denn der feurige Text wimmelt nur so von „Vaterland" und „brüderlich".
Der deutsche Text wird umstritten bleiben, die österreichische Musik - wie schön -gefällt allgemein.
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