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FILMMUSIK AUS ÖSTERREICH: KING KONG, E. T. UND CO

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Was ist österreichisch? Das, was den Anspruch erhebt, es zu sein, was in Österreich produziert oder von Österreichern geschaffen wurde, oder das, was von Österreich handelt? Und wie mißt man Österreicher, an der Staatsbürgerschaft, an ihrem Geburtsoder Todesort?

Nimmt man die Filmgeschichte, ist die Antwort anders: Österreicher sind aus dem Land Vertriebene, gerne österreichisch Gewordene, die Heimat Suchende und die Heimat Verklärende, „Schönfärber“ der Wirklichkeit, Künstler, die an Traditionen anknüpfen.

Und erst recht die Filmmusik: sie holt die Heimat ins Exil, sie verklärt das Alltägliche, sie macht ein Märchen aus dem, was historischer Analyse bedürfte.

Willi Forsts Erklärung im 1933 gedrehten Streifen „Leise flehen meine Lieder“ zu Schuberts Unvollendeter ist ebenso aufschlußreich wie sentimental: „So wie meine Liebe (zur Komteß Esterhazy) nie zu Ende gehen wird, soll auch diese Musik nie zu Ende gehen.“

Forst formulierte die Unnötigkeit der.Existenz Österreichs fiir seine Filme: „Meine österreichischen Filme machte ich in der Zeit, als Österreich zu existieren aufgehört hatte.“ Das paßt zur Beliebtheit von Schubert in den Sujets: die Verfilmung des Heimat- und Wohnsitzlosen, dem nichts,

aber dafür die Unsterblichkeit gehört.

Das Österreichische sei „ein Kino ohne Raum, international von Anfang an und nicht an einen festen Ort gebunden“ (Frieda Grafe). Fragte einer nach dem österreichischen Film, bekam er lange Zeit die vereinfachende Antwort: Filme, die in Österreich hergestellt wurden. Jetzt, zwanzig Jahre zu spät, dehnt sich die Filmgeschichtsschreibung auf den Kulturtransfer des österreichischen Films aus:

Die Autoren Christian Carg-nelli und Michael Omasta haben in Zusammenarbeit mit der Viennale 93 zwei Bände „Aufbruch ins Ungewisse - die Filmmusik Österreichs in der Emigration“ (Edition Wespennest 1993) präsentiert. In ihnen schließt die Definition des

Österreichischen alle innerhalb der Monarchie geborenen Regisseure wie Billy Wilder, Fritz Lang und Berthold Viertel ein, ebenso wie Drehbuchautoren wie Anton Kuh, die Komponisten Hermann Leopoldi, Max Steiner, Franz Waxmann, Joseph Horowitz und Hans Salter. Nicht aber den Komponisten Hanns Eisler, dessen filmische Arbeit „14 Arten, den Regen zu beschreiben“, die sensationelle Vertonung der Alltäglichkeit des Regens, selbst aus dem Registerband gefallen ist. Begründung: Eisler, Sohn eines Österreichers und selber einer, wurde in Leipzig geboren.

Dem Kulturtransfer durch den Film nützte die Heimatliebe der Österreicher: ihr musikalisches Wissen, das Musikidiom zwischen Sinfonie und Operette, rückgewandt-sentimental

und exakt nach Gebrauchsgut bemessen galt in den Studios Hollywoods als „safest kind of music“. Das klassisch-romantische Kunstmusikrepertoire Europas war vertraut und emotionstreibend.

Max Steiner, musikalischer Untermaler von „King Kong“ berichtet: „In unserer Verzweiflung wurden wir kriminell. Wir begannen die großen Meister zu zergliedern, die Werke von Beethoven, Mozart und von allen, die nicht durch Copyright vom Beklauen geschützt waren.“

Die Emigranten taten das Naheliegende: sie paßten ihre Kunst der Notwendigkeit, dem Markt, an. „Es war wie eine Fabrik, wo man eine gewisse Menge roter und grüner Socken herstellen muß“, wie der sechsfach für den Oscar no

minierte Hans Salter sagte.

Nicht mehr die Ewigkeit zählte, sondern die termingerechte Fertigstellung. Was heute Marketing-Experte Fritz Scheuch ah Lösung für Österreichs Komponisten sieht - be-darfs- und zielgruppenorientiertes Komponieren - war für die Exilanten Gebot der Stunde.

Bei all der „Vertriebenen Vernunft“, wie Friedrich Stadler ein Exil-Werk nannte, fragt man sich, ob nicht in Österreich das Manko, ein filmisches Loch spürbar wurde? Es war wohl da, aber es wurde nicht gespürt. In Österreich machte man so weiter wie bisher. Der Kulturfilm der Nachkriegszeit unterscheidet sich nicht von dem der Nazi-Zeit.

Der Wiener Filmkomponist Gottfried Kinsky-Weinfurter

hat sich mit diesem der Wissenschaft bis dato unwerten Gebiete befaßt. („Filmmusik ah Instrument staatlicher Propaganda“, Verlag Ölschläger 1993). „Die Stimme Österreichs“, wie einer der Kulturfilme hieß, gab, musikalisch unterstützt, die erwünschte Ideologie wieder. Analysen des Ho-lokaust wären nicht subventioniert, Filme über die Wohnungsnot oder soziale Spannungen nicht gefördert worden. Musik deckt zu, bringt unzeitgemäße Melodiebrocken, die die fehlenden Geräusche und die Absenz einer spannungsgeladenen Handlung kompensieren soll. Großes Orchester für kleine (Laien-) Darsteller.

Nach der Vertreibung der Kreativität, nach einem Osterreich-Bild der gegenwartsverleugnenden Nostalgie, nach ei

ner Importwelle des amerikanischen Films in Österreich, sucht Österreich im Film auch musikalisch seine Stimme.

Wie verpönt für Österreichs Komponisten die Mitwirkung an Filmen ist, zeigt das Beispiel von György Ligeti, der sich gegen den Einsatz seiner „Ath-mosphėres“ in Stanley Kubricks Musik „2001 Odysse im Weltraum“ im nachhinein wehrte.

Während die Geschichte einer österreichischen Filmmusik mangels Objekt kaum geschrieben zu werden braucht, ist jene des Kulturtransfers noch lange nicht zu Ende. John Wilhams, Komponist von „Star War“, „E. T.“ und „Jurassic Park“ beruft sich in Bewunderung auf den unfreiwillig zum Vorbild gewordenen Erich Wolfgang Korngold.

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