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Erlösung durch Askese

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Der Jainismus gilt als eine der ältesten Religionen Indiens. Im Norden der Halbinsel entstanden, wurde er im 6. Jahrhundert v. Christus von Vardhamana Mahavira zu einem geschlossenen Lehrgebäude ausgestaltet. Mahavira gilt im Jainismus als der letzte von 24 Tirtankharas, „Furtfindern.“, (Lehrmeistern und Heiligen der Jainas. Wie die Lehre Gautama Buddhas, war der Jainismus eine Reformbewegung gegen den Brahmaismus, sein polytheistisches Pantheon und die durch ihn entstandene Priesterkaste, übernahm aber die Begriffe des „karma“ und der Seelenwanderung. Mahavira lehrte, daß „karma“ durch Selbstdisziplin, Meditation und extreme Askese zu überwinden sei, in einer Philosophie, die vor allem auf „ahinsä“ beruht, der Gewaltlosigkeit in Gedanken, Worten und Taten. Sie verbietet, daß ein Insekt, Tier oder Mensch getötet werde, und zu ihr gehören die Gelübde, nicht zu lügen, nicht zu stehlen, keusch zu leben und nicht habgierig zu sein, Gebote, nach denen insbesondere die Mönche und Nonnen der Jainas leben, wobei in der Sekte der Digambaras der Verzicht “auf weltlichen Besitz bis zur völligen Nacktheit geht. Die äußerste Strenge dieser Religion, die, obwohl sie Beichte, Buße und ein außerordentliches Maß an Vergebung kennt, bis zur freiwilligen Selbstaufgabe geht, hat sie nie eine große Zahl von Anhängern erreichen lassen. Heute leben in Indien, vor allem im Westen des Landes, etwa 2,500.000 Jainas, die vorwiegend Händler sind.

Uber sie berichtet eine faszinierende Ausstellung „Kunst und Religion in Indien — 2500 Jahre Jainismus“ im Wiener Museum für Völkerkunde, die das Ergebnis einer fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen einem indischen und einem europäischen Forscher ist und bisher in Zürich, St. Gallen und Basel zu. sehen, war. In Photodokumenten zeigt sie die früh entstandenen großartigen Tempelarchitekturen, die Höhlenklöster von Udayagiri und Khandägiri in Orissa, die Bauten von “Moun Abu=und Ranakpur und Bei-spiele von Details, der mit überreichen Reliefs verzierten Bauelemente von Tempeln und der Holzschnitzereien ah farbig gefaßten Hausschreinen. Tempel wie Hausschreine dienen dabei nicht der Verehrung einer Gottheit, sondern sind Stätten der Meditation, in denen der Gläubige angesichts der Kultbilder der Tir-thankaras an seiner Seele arbeitet, und sind gleichzeitig Gemeindezentren, in denen Dokumente aufbewahrt werden und wo es soziale und karitative Einrichtungen gibt.

Die Ausstellung zeigt außerdem die noch heute lebendige Fertigung der Kultbilder, die nach alten Vorlagen, in Proportion, Größe, Ausdruck und ikonagraphischem Detail genau fstgelegt entstehen und einem bestimmten Ritual der Weihung unterzogen werden müssen, bevor sie Aufstellung finden. Sie illustriert die Jaina-Lehre mit kosmologischen Darstellungen, Meditationsobjekten und Mandalas, den Geräten der Mönche und Nonnen, ihren Bettelgefäßen und Rosenkränzen, den Wedeln, mit denen Insekten vom Pfad und vom Lager entfernt werden. Sie zeigt außer einigen schönen Kültbildern (darunter ein hervorragender Tirthankarakopf aus dem 1. Jahrhundert und eine bezaubernde Apsara, eine „himmlische Schönheit“, aus dem 16.), auch meist farbige Figuren von himmlischen Orchestern und mythische und symbolische Tiere sowie Schreibgeräte und Manuskripte und in großen, sehr eindrucksvollen Photographien Szenen aus dem Leben der Mönche und Nonnen, Kult und Ritual. Eine Tonbildschau und ein ausgezeichnet gearbeiteter und bebildeter Katalog vervollständigen den sehr starken Eindruck der Ausstellung.

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