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Auf Popper weiter hören

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Wahlzeiten sind Hoch-Zeiten für krasse Simplifizierungen und primitive

Deutungsraster .Wir erleben es. Komplexe Sachverhalte werden (zu) oft auf ein Entweder-Oder, auf ein Für-mich oder Gegen- mich, auf ein Freund-Feind-Denken reduziert. Das eine will — manchmal nicht nur plakativ, sondern durchaus plakatiert - das andere ausschließen.

Mit der Konsequenz, „daß wir die Menschheit in Freund und Feind teilen; in jene Menschen, die unserem Stamme, unserer emotionalen Gemeinschaft angehören, und in jene Menschen, die außerhalb unserer Gemeinschaft stehen; in Gläubige und Ungläubige; in Mitbürger und Fremde; in Klassengenossen und Feinde; und in Führer und Geführte“. So hat das Karl Raimund Popper in seinem sozialphilosophischen Hauptwerk „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“, einer Programmschrift der pluralistischen Demokratie, charakterisiert.

Popper, Begründer des kritischen Rationalismus, einer der bedeutendsten Denker, der in diesem Jahrhundert Österreich - von den Nazis zur Emigration gezwungen - und der Welt geschenkt worden ist, starb 92jährig am 17. September.

Die „offene Gesellschaft“ ist 1 auch heute in mancher Munde. „Freiheit“, erklärte da unlängst einer, „ist unsere Ideologie.“ Ideologien hätte Popper in diesem Zusammenhang nie gelten lassen. Denn „schrankenlose Freiheit bedeutet, daß es dem Starken freisteht, den Schwachen zu tyrannisieren und ihn seiner Freiheit zu berauben. Das ist der Grund, warum wir verlangen, daß der Staat die Freiheit in gewissem Ausmaß einschränke, sodaß am Ende jedermanns Freiheit vom Gesetz geschützt wird. Niemand soll der Gnade eines anderen ausgeliefert sein, aber alle sollen das Recht haben, vom Staat geschützt zu werden.“

Seine politische Grundüberzeugung wurde entscheidend durch die Auseinandersetzungen und seine Erfahrungen in der Ersten Republik, von autoritärer Intoleranz, dogmatisch - ideologischem Fanatis- mus und totalitären Ansprüchen zerstört, geprägt. Fruchtbare Denkanstöße aus furchtbaren Ereignissen, zeitlos aktuell: „Mündige Bür-

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