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"Es gibt kein Abendessen mehr ohne das Thema Peter Handke“, sagte der Germanist Klaus Kastberger unlängst in Ö1. Eigentlich wollte ich kein Wort mehr über Handke verlieren, denn es ist tatsächlich ein verlorenes Wort in einer Debatte, in der weltweit Tausende, unbelas­tet sowohl von Werkkenntnis als auch his­torischem Sachverstand, sich ganz dem Meinen und Verurteilen hingeben. Muss man sich wichtig machen, wo man es nicht ist, nur um etwas zu sagen und zu meinen, was schon Dutzende gesagt und gemeint haben? Mitunter spricht man, weil man die Dinge für sich selbst geklärt haben möchte oder wenigstens erhellt.

Er könne nicht zugleich gehen und reden, sagt der Idiot in Handkes „Zurüs­tungen für die Unsterblichkeit“ (1997). Und der Idiot im griechischen Sinn, der Eigenbrötler und Querkopf, bekommt vom „Volk“ gesagt: „Selbst wenn du nur eine Sache tust, versteht die kein Mensch. Kaum fängst du etwas an, wird alles unklar, auch das Rundherum. Fällst du in unsere Volkslieder ein, bringst du den Vorsänger aus dem Takt, und jeder verliert seinen Text.“ Das ist Handkes poetisches Programm: Störenfried sein, dem nationalen Einklang entgegenwirken. Und doch ist Handke, im Brustton des überzeugten Widerworts, in die Lieder eines Volkes eingefallen, um dessen (vermeintliche) Stimme zu stützen. Handkes Stärke ist zugleich auch seine Schwäche: als stolzer Unzeitgemäßer ganz auf die Poesie und ihre Wahrheit zu setzen, als ihr Künder und Verkünder den verlorenen Posten, die Enklave, den Elfenbeinturm, das „Abseits“ (Elfriede Jelinek) zum einzig möglichen Ort zu erklären. Die Welt kann und wird das aushalten: den großen Künstler als Irrenden, als problematischen Charakter. Handke hat nicht den Friedensnobelpreis erhalten, sondern den für Literatur. Ob als Zurüstung für die Unsterblichkeit, wird sich künftigen Generationen weisen.

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