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Gegen psychische Immunschwäche

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Ein erster Blick auf das Buch schon erfüllt die Erwartung, die der Name des Autors mit sich bringt. Das Erlebnis der Berge, der Natur überhaupt, die Freude sowohl wie der Schrecken, das Überwältigende solcher Erfahrung zeigen sich gleich in den Bildern Christian Handls, in der Wucht des Bergkessels etwa, in dem Gefühl, über den Wolken zu stehn, in der Felswand, die dem Nichtbergsteiger unüberwindlich erscheint, in der Einsamkeit auch, der düsteren Stimmung im Nebel, in einer Begegnung mit letzten leuchtenden Blumen im Fels. Erst im Gehen und Schauen gewinnt wohl der Geist seine Freiheit, Zuversicht auch und Erkenntnis, vor allem aber den Mut, den jeder Mensch braucht, um sein Leben sinnvoll gestalten zu können.

Der Bergsteiger ist, so Viktor E. Frankl, asketisch veranlagt oder wird in gewissem Sinn zum Asketen, denn er weiß zu verzichten und manches zu fordern von sich, was heute sehr viele nicht mehr vermögen, in ihrem Selbstmitleid, der Wehleidigkeit und dem Gejammer über den Streß, der sie krank macht. Daß die Herausforderung notwendig ist und der Streß auch gesundheitsfördernd sein kann, begreifen sie nicht. Es heißt ja, hart an der Grenze des Möglichen gehen, die Angst überwinden, über sich selbst hinauswachsen. Darauf nur käme es an, auf diese „Trotzmacht des Geistes“, die Ängste und Schwächen der Seele besiegt, jenen gefährlichen Zustand, den Viktor E. Frankl eine „psychische Immunschwäche“ nennt. Die Menschheit müßte auf etwas „hinleben“ können, auf Ideale ausgerichtet sein, sonst würde sie nicht überleben.

BERGERLEBNIS UND SINNERFAHRUNG. Von Viktor E. Frankl. Bilder von Christian Handl. Tyrolia Verlag, Innsbruck/ Wien 1992. 48 Seiten, öS 168,-.

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