Judentum Davidstern - © Pixabay/wal_172619

Dunkler Teil des Judentums

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"Es genügt nicht, nur um den Frieden zu beten". Asher D. Biemann über radikale Religion und die Verantwortung dafür.

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"Es genügt nicht, nur um den Frieden zu beten". Asher D. Biemann über radikale Religion und die Verantwortung dafür.

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Das jüdische Trauergebet Kaddisch wird im Allgemeinen zum Gedenken an die Verstorbenen gesprochen. Doch haben seine Zeilen nichts mit dem Tod zu tun. Jitgadal wejitkdasch schemei raba, so beginnt das aramäische Gebet: Möge Sein erhabener Name vergrößert und geheiligt werden. Und es fährt fort: Wejimloch malchutecha — Möge Er Sein Königtum herrschen lassen in den Tagen deines Lebens und im Leben des ganzen Hauses Israel. Rasch und bald.

Das Kaddisch ist ein Gebet des Lebens, der Herrlichkeit Gottes und der Ewigkeit. Möge Sein großer Name gepriesen werden — jehei schemei rabah mevorach. Und dieses Gebet des Lebens, das auch ein Gebet der Tröstung ist, dieses Gebet der Herrlichkeit Gottes, das beteten sie, die am 26. Februar das palästinensische Dorf Huwara in Flammen legten. Sie beteten es beim Anblick der brennenden Häuser als Gebet ihrer heiligen Rache und Gerechtigkeit.

Radikale jüdische Siedler. Fanatische, vernarrte Fundamentalisten. Eine Randerscheinung des Judentums, die mit dem „wahren“ Judentum nichts zu tun haben soll. So möchten viele es gern sehen, und so lesen wir es auch oft, wenn in anderen Religionen Gewalt geschieht. Dann war es plötzlich irgendein „-ismus“ und nicht die eigentliche Religion. Aber die radikale Seite gehört zur Religion dazu. Und nur wenn wir diese Siedler als einen dunklen Teil des Judentums anerkennen, können wir begreifen, wie sehr deren Taten das ganze Judentum in Frage stellen und eine ganze jüdische Antwort erfordern. Wenn Religion nicht nur das Amt des Trostes und der Hoffnung übernimmt, sondern auch das Amt der Macht und Politik, dann muss sie sich auch verantworten.

Das Kaddisch endet mit den Worten: Ose schalom bimromav — Er möge Frieden bringen in Seinen Höhen. Auch der Friede gehört zur Religion. Doch genügt es nicht, nur um ihn zu beten.

Der Autor ist Professor für moderne jüdische Philosophie an der University of Virginia, USA.

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