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Noch immer Bosnien

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Ende September wird es österreichweit Bosnientage geben. Ein kleines Land, durch den Krieg bekannt geworden, stellt sich als das vor, was es war und was es sein könnte: Es zeigt seine Kultur. Wahlen stehen bevor, beides Anzeichen für die Rückkehr in die Normalität des Friedens. Aber der Krieg ist damit als Thema noch nicht erledigt. Er ist es auf der politischen Ebene nicht und ganz gewiß auf lange Zeit nicht in den Psychen der Menschen. Wer erwartet, daß ein unterzeichnetes Friedensabkommen auch schon den ersehnten Frieden schafft, gibt sich einer Illusion hin. Krieg, als die totalste Brutalität, die menschliche Existenz ergreifen kann, entsteht nicht von einem Tag zum anderen, ebensowenig kann es haltbarer Friede.

Geduld ist angesagt, und sie wird so manchen überfordern: die Staatengemeinschaft, die lange tatenlos zugesehen hat und auch jetzt lieber zusehen möchte, und erst recht die Kriegsopfer. Und doch wird nichts anderes übrig bleiben als der geduldige und beharrliche Glaube an etwas, das kein Gesicht mehr hat.

Nicht zufällig sind es die Künstler, und da vor allem die Schriftsteller, die sich im Friedensprozeß engagieren. Sie wissen um die Zwiespältigkeit ihres „Materials", und das schafft eine besondere Form der Verantwortung. Worte haben den Krieg vorbereitet, Worte sollen den zerbrechlichen Frieden festigen. Sie können jenen Blick beschwören, der sehen läßt, daß es selbst im Spiegel des Grauens noch etwas anderes gibt als das Grauen. Italo Calvino hat es in „Die unsichtbaren Städte" in einem fiktiven Gespräch zwischen Marco Polo und Kublai Khan ausgesprochen. „Alles ist vergebens, wenn der letzte Anlegeplatz nur die Höllenstadt sein kann...", sagt Kublai Khan. Und Marco Polo antwortet auf die uns alle betreffende Frage, was dann wohl noch bleibt: „.. .suchen und zu erkennen wissen, wer und was inmitten der Hölle selbst nicht Hölle ist, um ihm Bestand und Baum zu geben."

Um diese permanente Anstrengung geht es letztlich, wollen sich Menschen, will sich ein Volk aus der Geiselhaft des großen Krieges befreien.

Die Autorin ist

Präsidentin der österreichischen Gesellschaß für Literatur.

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