Heißes Eisen Inkulturation
Vor 500 Jahren betraten die ersten Europäer Amerika. Für Österreichs Kirche ein Anlaß, sich mit der Thematik „Ausbeutung - Missionierung - Widerstand - Befreiung" zu befassen.
Vor 500 Jahren betraten die ersten Europäer Amerika. Für Österreichs Kirche ein Anlaß, sich mit der Thematik „Ausbeutung - Missionierung - Widerstand - Befreiung" zu befassen.
Ein umfangreiches Programm zum Thema „500 Jahre Amerika" legte jüngst - unter Assistenz des brasilianischen Bischofs Ivo Lorscheiter und des peruanischen Theologen Luis Zambrano - die Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz für Mission und Entwicklung vor und nannte in diesem Zusammenhang die vier Begriffe Ausbeutung, Missionierung, Widerstand und Befreiung.
Ausbeutung, wie sie in La-teinamerikabisheute vorkomme, werde in der Bibel total abgelehnt, betonte Zambrano. In Ecuador gebe es Plakate, die auf „500 Jahre Widerstand" hinwiesen. Wer ausgebeutet werde, habe ein Recht aufWiderstand, wobei gewaltloser Widerstand solchem mit Gewaltsichervorzuziehensei. Wer den Ausgebeuteten helfe, lebe in Lateinamerika gefährlich, sagte Zambrano. Immer wieder würden Menschen getötet, erst am 20. Dezember 1991 sei ein deutscher Missionar in Peru bei einem Attentat schwer verletzt worden.
Bischof Lorscheiter kritisierte den Eurozentrismus bei der Missionierung Amerikas, der viele Kulturen und Religionen zerstört habe, und plädierte für einen Sühnetag anläßlich der Lateinamerikanischen Bischofsversammlung im Oktober 1992 in Santo Domingo. Lorscheiter bedauerte auch die Kontroverse
zwischen dem Vatikan und den Theologen in der Frage der Theologie der Befreiung. Der Papst persönlich habe in einem Brief festgestellt, daß diese Theologie notwendig sei und einen guten Dienst an der Welt leiste. Auf diesem Gebiet sei ein Austausch mit wechselseitigem Respekt nötig. Die Kirche habe den Auftrag zur Mission, müsse aber auf vorhandene Kulturen Rücksicht nehmen. Die Frage der Be-freiungstheologie sei aber - so Lorscheiter - eine „Kinderspielfrage" gegenüber der Frage der Inkulturation, die nun über Asien ganz massiv auf die Kirche zukomme. Sowohl Lorscheiter als auch Zam-
brano erklärten gegenüber der FURCHE, daß in ihren Ländern 1992 weder große Feiern noch überregionale Be-denkveransteltungen geplant seien, und Zambrano dankte der Österreichischen Bischofskonferenz, daß sie das Bedenkjahr 1992 so ernst nehme. Neben zahlreichen diözesanen Vean-stalrungen (Filmreihen, Vorträgen, Ausstellungen) ist 1992 auf gesamt-österreichischer Ebene ein Bibelprogramm „Dein Wort im Leben" geplant.
Das Bibelprogramm lateinamerikanischer Ordensleute, „Dein Wort ist Leben", das in Rom auf Widerspruch gestoßen ist, dient dabei als Impuls, wurde aber überarbeitet, sodaß nach Meinung der Verantwortlichen keine Probleme mit der Kirchenzentrale zu erwarten sind.
Liedermacher sind von Musica & Vita und den Päpstlichen Missionswerken (1010 Wien, Seilerstätte 12) zu einem Wettbewerb „500 Jahre und kein Ende?" aufgerufen. Bei der Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz für Mission und Entwicklung (1090 Wien, Türkenstraße 3) sind bis 31. August 1992 Einreichungen für einen Publizistikpreis zum Thema „500 Jahre Amerika" möglich. Abschließender Höhepunkt des Bedenkjahres soll eine Wallfahrt (Romaria) nach Mariazell sein, wo am 26. Oktober ein Gottesdienst geplant ist, zu dem bereits mehrere österreichische Bischöfe ihre Teilnahme zugesagt haben.
