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Jenseits von Gut und Böse

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Hat man Wagmm King“ in jüngster Zeit häufig äktualitätsbezogen unter politischen und ■ sozialen Aspekten gesehen, so weicht die neueste Münchner Inszenierung des „Rheingold“ von dieser Deutung bewußt ab: Günther Bennert betont in ihr die psychologischen Konflikte der Außerirdischen, die ihre Parallele im menschlichen Bereich besitzen „und wären es göttlichste Götter“. Denn Wotan ist nicht erhaben über List und Trug und kleinlichste persönliche Motive. Alberich ist nicht von Grund auf böse und absolut nicht unempfänglich für die Wonnen der Liebe; und selbst in der Biesen Herzen wohnen Zärtlichkeit, Sehnsucht und der Wunsch nach Überhöhung durch „Weibes Wonne und Wert“.

So wird hier im Bühnengeschehen deutlich eine Akzentverschiebung angestrebt, die der Nachtalben und Riesen Taten mildert und den Lichtgott von Anfang an entthront. Leif Roar (Wotan) beweist stimmliche Überlegenheit bei schwankendem Persönlichkeitsprofil, trumpft auf, um moralische Schwächen zu überdecken und verlor wohl noch nie so offenkundig an Boden gegenüber einem Alberich wie in Rennerts klarer und überzeugender Konzeption.

Ein gediegenes Sängerensemble: Klaus Hirte (Alberich) ersetzt Stimmkraft durch Intensität; Brigitte Faßbaender (Fricka) — glutvoller Stimmzauber in pelzverbrämtem Gewand; Julia Varady (Freia) sauber, aber scharf intonierende nervöse Quellnymphe in grünem Schilfkleidchen; Ortun Wenkel (Erda) — eine sehr jugendliche, wohltönende Urmutter; Gerhard Vnger (Mime) klagt unaffektiert; Franz Grass (Fasolt) — herzbewegend und voll Liebessehnsucht. In gleißendem Brokat: Horst Hoff mann, ein helltimbrierter, strahlender Froh. Aus der Tiefe erklingt ein homogenes Reintöchterterzett.

Die interessanteste Figur des Werkes: Loge, der Kluge, Zwielichtige (Rene Kollo) bietet mit ungewöhnlichem Schöngesang eine seltene Mischung aus konzilianter Reportage und grenzenlosem Desinteresse am Schicksal der Himmlischen, darstellerisch unterstrichen durch sein Herumlümmeln am Bühnenrand.

Die unpathetische Bühnenkonzeption setzt sich im Orchestergraben fort: unter Wolf gang Sawallisch wird schlank und oft auch gedämpft musiziert. Das Bühnenbild (Jan Brazda) bietet — abgesehen vom konventionalem dunklem Rheingrund und einem blauen Liniengewirr als Götterburg — ein beeindruckendes Nibelheim, das den ganzen Abend dominiert: drohende schwarze Essen über glühendem Eisenwalzwerk — einer Stahlgußanlage der VÖEST vergleichbar. Dumpfes Ahnen: trotz scheinbar privater Geschäftigkeit der Nibelungen wird hier bereits an der Vernichtung der Götter gearbeitet.

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