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Kengnlicht

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Das Symbol hat die ursprüngliche Botschaft fast verdrängt. Wer überhaupt beim Fest des 2. Februar an etwas Kirchliches denkt, erinnert sich der Kerzenweihe und der Lichterprozession. Der Wandel der Bezeichnungen für dieses Fest macht es dem Gläubigen auch nicht ganz leicht: Maria Reinigung — Maria Lichtmeß — Darstellung des Herrn. Aus einem Marienfest wurde so ein ,fierrenfest“. Doch im Bewußtsein des einfachen Volkes überlebte die Kerze. Der Anlaß — das Reinigungsopfer' der Eltern Jesu im Tempel — bestimmte die Bibeltexte und den Termin des Festes, 40 Tage nach Weihnachten.

Doch das Symbol — die Kerze — steht in Verbindung zum Evangelientext (Lk 2), in dem der alte Simeon über das Kind, das er in Armen hält, sagt: Ein Licht zur Erleuchtung der Heiden. Und so führt das Nachdenken über das Licht als Symbol und über die Kerze im besonderen wieder zurück zum ursprünglichen Gedanken des Festes.

Es ist doch eigenartig, daß die Kerze, jenes uralte und geradezu primitive Mittel, Licht zu spenden, weder aus unserer Kultur noch aus den Gottesdiensten verschwunden ist. Keine Technik, kein noch so raffiniertes Beleuchtungssystem konnte das lebendige Licht verdrängen. Ja, man hat manchmal den Eindruck, das klare, kalte und starre Licht unserer Tage lasse die Sehnsucht nach lebendigem und warmem Licht nur umso stärker werden. Die elektrischen Kerzen sind aus unseren Kirchen weithin verschwunden, und auch das „ewige Licht“ flackert wieder.

Vielleicht sollten wir auf die Predigt hinhören, die uns auf diese Weise von der schlichten Sehnsucht einfacher Menschen gehalten wird: Wo die Vermittlung des Glaubens zu einer religiösen Verbundgesellschaft verkommen ist, wo uns das Zeugnis eines redlich gelebten Glaubens nur mehr über die Medien erreicht, wo die Sakramente eher verwaltet als gefeiert werden, dort wächst in uns die Sehnsucht nach dem flackernden Licht eines lebendigen Glaubens.

Es mag sein, daß lebendiger Glaube einem flackernden und gefährdeten Licht gleicht, gegen das sich die glasklaren Formeln eines Dogmatiklehrbuches wie eine Glühbirne ausnehmen. Es mag sein, daß ein liebender Glaube sich zu verzehren droht wie eine herabgebrannte Kerze und vom (beinahe) ewigen Licht der Leuchtstoffröhren beschämt wird. Es liegt dennoch viel Wissen um das Wesen des Christseins darin, wenn uns sogar im kalten Winter beim Anblick eines lebendigen Kerzenlichtes warm ums Herz wird.

Zehnter Teil einer Serie über Zeichen und Symbole im Jahreskreis der Kirche.

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