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Kirche auf den Knien

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In den letzten Augusttagen jährt sich zum vierzigsten Mal die Liqui- dierung der Frauenklöster in der Slowakei. Vier Monate nach Ver- schleppung der Ordensmänner, nach Arretierung der Bischöfe und vieler Priester, nach Zerstörung der Kirchenstrukturen und nach der Verurteilung vieler Laien sollte die katholische Kirche in der Slowakei auf den Knien" sein - wie es damals ein Repräsentant des kommunisti- schen Regimes sagte.

Wenn aber die Kirche, das Volk Gottes, auf den Knien ist, dann betet sie auch, dann findet sie Christus, und sich selber in seinen Händen. Und das haben auch die 4.219 Schwestern von den slowakischen Ordensgemeinschaften aus 244 Klö- stern getan als sie vom 28. bis 30. August 1950 ins Unbekannte ver- schleppt wurden. Die einen wur- den interniert, die anderen zu Ker- kerstrafen verurteilt - zu insge- samt 311 Jahren.

Die Schwestern wurden über das ganze Staatsgebiet verstreut, weit entfernt von ihrem bisherigen Wir- kungskreis, sie kamen ins böh- misch-mährische Grenzgebiet, in die Fremde, in die Isolation. Auf sie wartete Arbeit auf den Feldern, in Textilfabriken, unter unmenschli- chen Arbeits- und Wohnbedingun- gen. Hungerlöhne, Schikanen, Zwang zur Arbeit an Feiertagen, illegale Lohnkürzungen, Urlaubs-

verweigerungen, fortwährende Nachtschichten war das tägliche Brot der Schwestern.

Sie gerieten auf ein totes Gleis und wurden vergessen; sie sollten aus dem Gedächtnis des Volkes gestrichen werden.

In den sechziger Jahren kam eine gewisse Lockerung. Die arbeitsfä- higen Schwestern konnten in Al- tersheimen und Anstalten für Be- hinderte arbeiten. Alte und kranke Schwestern wurden in Pflegeheime gebracht. Ich habe sie in den Jahren 1968 bis 1969 alle besucht. Die Zim- mer waren überfüllt, ohne die Mög- lichkeit, wenigstens eine kleine Inti- mität zu wahren. Die Treppen eng und steil.viele Räume unheizbar. Hier lagen die leidgeplagten Schwe- stern. Geschwächt, mit durchsich- tigen Händen, blasse Antlitze mit Falten aus jedem schmerzerfüllten Tag, geschrumpfte Lippen mit laut- losem Lob und Bitten: nur in den Augen ein Flimmern von Ergeben- heit und Liebe. Und trotzdem war in diesen Räumen ein unaufhörli- ches Magnificat zu hören.

Ein unglaubliches Kapital, ein unermeßliches Erbe von Gebet und Leid, das diese Ordensfrauen hin- terließen: Lösegeld für die Freiheit der Kirche in der Slowakei.

Der Autor - Lungenfacharzt i.R. in Bratislava - arbeitet heute als Redakteur der slowakischen Kirchenzeitung „Katolickv novinv"

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