6880199-1979_06_15.jpg
Digital In Arbeit

Kommission als Prügelknabe

Werbung
Werbung
Werbung

Die Absicht des Finanzministers, das österreichische Steuersystem grundlegend zu reformieren, ist vorbehaltlos zu begrüßen. Es drängt sich nur die Frage auf, warum erst jetzt eine Arbeitsgruppe dazu eingesetzt wurde. Mit etwas Zynismus könnte man ätzen, daß neun Jahre SPÖ-Regie-rung das Steuersystem offenbar reformreif gemacht haben.

Reformreif war das österreichische Steuersystem indes schon beim Amtsantritt dieser Regierung. Um das festzustellen, hätte man schon Anfang der siebziger Jahre keine Expertise, um die gröbsten Ungereimtheiten abzustellen, keine Kommission gebraucht.

An wissenschaftlich untermauerten Reformforderungen fehlte es überdies schon 1970 nicht. Hätte die SPÖ ihre

Liebe zu Anton Kausei nicht erst vor der Regierungsklausur entdeckt, sie hätte ihn schon bei ihrem Amtsantritt als Kronzeugen für das Auseinanderklaffen “von Steuersätzen und tatsächlicher Steuerbelastung anrufen können. Eine genaue Analyse zu diesem Thema lieferte Kausei schon in seinem 1966 erschienenen Beitrag zu „Untersuchungen über Zentralprobleme der österreichischen Bundesfinanzen“. (Als Autoren mit von der Partie waren damals übrigens ein gewisser Stephan Koren und Josef Taus.)

Und vier Jahre später erschien im „Handbuch der österreichischen Finanzwirtschaft“ ein Konzept des ehemaligen SPÖ-Abgeordneten Robert Bechinie für die „Steuervereinfachung in Österreich“.

An Analysen und Konzepten (und noch dazu von unverdächtiger Seite) fehlte es also, wie man sieht, auch schon 1970 nicht. Statt darauf zurückzugreifen, trug Androsch aber zunächst wie schon seine Vorgänger zur Unübersichtlichkeit des Systems und zur Verzerrung der Steuerbelastung bei: Die Einführung eines eigenen Absetzbetrages für Arbeitnehmer und Pensionisten, der Spesenerlaß, ein zusätzlicher Mehrwertsteuersatz und das gesamte Zweite Abgabenänderungsgesetz müßten rechtens ganz oben auf dem Speisezettel seiner Reformkommission stehen.

Vieles spricht dafür, daß die Reformkommission in erster Linie als Prügelknabe für unangenehme Maßnahmen herhalten soll, die den Steuerzahlern so oder so nicht erspart bleiben würden. Interessanterweise stehen nämlich auf dem der Kommission vorgegebenen Programm obenauf jene Maßnahmen, die das Finanzministerium schon vor einiger Zeit testweise an die Öffentlichkeit sickern ließ, um sie nach wütenden Protesten offiziell sofort zu dementieren: die Sparbuchsteuer, die Beseitigung der Steuerfreiheit für Überstundenzuschläge und die volle Einbeziehung des 13. und 14. Bezugs in die Progression.

Ob das neue Steuersystem übersichtlicher und gerechter sein wird, weiß ich nicht. Lük-kenloser wird es gewiß sein.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung