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Kopelews Bekehrung

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Lew Kopelew, Kind des Marxismus, geprägt von der Autonomie des Menschen in der Geschichte, arbeitete für den Sowjetstaat, baute an ihm mit, glaubte auch dann noch an ihn, als er zu zehnjähriger Zwangsarbeit verurteilt wurde. Wo hätte denn jemals eine geradlinige Entwicklung zum Guten stattgefunden? Die Wege der Geschichte sind krumm. Zwar schmerzten den Humanisten der Uberfall auf Finnland, die Haßkampagne gegen Polen, trotzdem blieb sein innerster Glaubensbereich unversehrt.

Was mußte alles geschehen, bis sich Kopelew von den — wie er es selber nennt — mythischen Vorstellungen befreien konnte, mit denen die Aufklärungsideen ausstaffiert worden waren, damit sie massenwirksam und psychologisch virulent werden konnten: Nationalismus, Chauvinismus, Stalinismus und Imperalismus!

In der Tragödie seiner Generation, wie Sacharow sagt, steht Kopelew besonders exponiert, indem er, Angehöriger einer Siegermacht, mit Ächtung und zuletzt mit dem Verlust der geographischen und geistigen Heimat geschlagen worden ist.

Sollen wir das - Gertrud Höhler folgend — einen „ideologischen Veränderungsprozeß" nennen? Oh, dieser mutlose Westen, der es nicht wagt, auch in Anbetracht eines so ungeheuren Schicksals, über die sterile Nomenklatur hinauszugehen! Was hier vorliegt, ist das Bekehrungsbuch eines ehemals „gläubigen Kommunisten": „Confessiones", voll des geschichtlichen Materials, der aufwühlenden Emotion, um jeden Leser mitzureißen, bis er sich selber zu fragen beginnt: Inwiefern bin ich an ideologischen Blockierungen mitschuldig?

WORTE WERDEN BRUCKEN. Von Lew Kopelew. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg, 1985. 253 Seiten, geb., öS 20230.

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