Nur selten wagt es ein Theologe, die Frage nach der Wahrhaftigkeit christlicher Kirchen in den Kontext von Macht und Herrschaft zu stellen. Und dennoch wird diese Problemkonstellation spätestens dort immer wieder praktisch virulent, wo es nicht nur zwischen, sondern vor allem in den Kirchen um die Notwendigkeit geht, einen Dissens konstruktiv auszutragen. Die Angst vor dem Verlust der „Einheit“, der Ordnung, der Wahrheit erstickt dabei nicht selten Toleranz, Akzeptanz des anderen in seinem Anderssein, und Gesprächsfähigkeit.
Der Pastoraltheologe Ottmar Fuchs zeigt in seinem ausgezeichneten Buch, wie verhärtete Positionen Konflikte dann auf die falsche und tödliche Alternative von progressiv und konservativ reduzieren. Biblisch und kirchengeschichtlich fundiert demonstriert dieses Buch die Möglichkeit eines Füreinander im Gegeneinander, einer Einheit, die Vielheit und Toleranz nicht aus- sondern einschließt.
Einen Weg zu einer offenen katholischen Kirche suchen auch all jene Autoren zu bahnen, die fundamentale Freiheitsrechte für Männer und Frauen in der Kirche vorstellen und lebensnah kommentieren. Auf der Basis einer Fülle von Texten aus der kirchlichen Tradition thematisieren die Beiträge verschiedene Lebensbereiche wie das Recht, seinem Gewissen zu folgen, Dissens zu äußern, die Wahl der Hirten oder die Dringlichkeit einer Gleichberechtigung von Männern und Frauen.
„ALLE KATHOLIKEN HABEN DAS RECHT ..." Freiheitsrechte in der Kirche. Herausgegeben von Leonard Swidler und Patrick Connor. Kösel Verlag, München 1990. 190 Seiten, öS 209,-.
ZWISCHEN WAHRHAFTIGKEIT UND MACHT. Pluralismus in der Kirche? Von Ottmar Fuchs. Verlag Josef Knecht, Frankfurt 1990. 272 Seiten, öS 209,10.
Eine erfreuliche Meldung wollen wir unseren Lesern nicht vorenthalten: Die EDITION ATELIER hat das in FURCHE 28/1991 besprochene Buch von Edwin Hartl neu herstellen lassen, „der tollen Abteilungen wegen“ , wie es in einem Schreiben an uns heißt. Der Leser möge es dem Verlag danken!
