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Mann ist Mann?

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Bertolt Brecht hat für seine als Lustspiel bezeichnete Szenenfolge „Mann ist Mann“ aus dem Jahr 1926 unter dem Titel „Das Elefantenkalb“ ein in Wien unaufgeführtes „Zwischenspiel für das Foyer“ geschrieben, das vom Ensemble Theater im Konzerthaus der derzeitigen Wiedergabe dieser Szenenfolge vorangestellt wird.

Der Mond verklagt das Elefantenkalb, seine, die kälbische Mutter ermordet zu haben, obwohl sie lebendig danebensteht. Und der Bananenbaum erklärt das Elefantenkalb für schuldig. Das wirkt zunächst verwirrend, unsinnig. Zunächst. Wo verurteilt werden soll, sind immer „schlagende Beweise“ wider die faktische Realität vorhanden, man denkt an die Gerichtsbarkeit in totalitären Staaten, wobei Brecht wohl lediglich die Nazis im Sinn hatte.

Gespielt wird diese Farce von Polly, Uria, Galy Gay und Jesse, den Gestalten aus „Mann ist Mann“, die der Regisseur Christian Scherzer durch Girls in Mieder und Netzstrümpfen ersetzt. Damit bietet er das Spiel lautstark als erotisch aggressive Revue dar - Choreographie Liz King -, wobei der Sinn des Unsinnigen im Nachtlokaleffekt verloren geht. Michaela Scheday, Do-ina Weber, Maria Martina und Ann Miliar sind mit Verve die Girls. Marianne Mendt komponierte die Musik fürs Piano.

In der losen, etwas schwerfällig und nicht immer überzeugend sich entwickelnden Szenenfolge „Mann ist Mann“ wird gezeigt, wie drei Soldaten der britischen Armee in Ostindien Anno 1925 den harmlosen Packer Galy Gay kurzerhand mit Gewalt als Soldat einkleiden, um einen fehlenden Käme-

raden beim Appell zu ersetzen, dann den Galy Gay in ihm entindividualisierend löschen, bis er schließlich zu einer menschlichen Kampfmaschine wird, zu einem schießwütigen Schlächter. Laut Brecht ist eben Mann gleich Mann, man kann mit einem Mann „beliebig viel machen“. Ist das ein Umfunktionieren, wie heute in totalitären Staaten üblich, wo Soldaten befehlsgemäß Grenzgänger ermorden? In der. gegebenen Situation bricht die monströse Urnatur heraus. Wenn die Verhältnisse eben so sind, Anklage gegen die Verhältnisse. Was Brecht sagen wollte, wendet sich heute gegen die heutigen Totalitären, man kapiert das sehr bald, dann zieht sich das Stück.

Regisseur Scherzer verwendet berechtigt weder Stelzen und Drahtbügel, noch Teilmasken und Riesenhände für die drei Soldaten, wie in der Berliner Aufführung von 1931. Es bedarf nicht dieser Überhöhung, Aret Güzel, Robert Hauer-Riedl und Kurt Podzemny überzeugen völlig durch soldatische Brutalität. Hagnot Elischka ist ein gutmütiger Galy Gay, dem allerdings das Dumpfe fehlt. Axel Klingenberg wirkt glaubhaft als forscher Sergeant, Robert Hunger-Bühler als etwas undurchsichtiger Bonze. Die Witwe Begbick bedarf vitaler Ausstrahlung von Ordinärheit, das vermißt man bei der begabten Antonia Limacher. Mit schlichten, aber zureichenden Mitteln erstellt Georg M. Re-setschnig die Bühnenbilder, für die Kostüme - martialisch wirkende der Soldaten - zeichnet Anne-Marie Heinreich. Für die Songs wird die Musik von Paul Dessau verwendet.

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