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„Mundi” trotzt

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Die Wochenschau, einst in eigens dafür eingerichteten Tageskinos als Nachrichtenillustration begierig bestaunt, langweilt heute die durch Fernsehen up to date gehaltenen Kinogeher: Unaktuell und fad präsentiert die Wochenschau nur einen müden Abklatsch der allabendlich über die Bildschirme flimmernden Sendung „Zeit im Bü’l”.

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Die Wochenschau, einst in eigens dafür eingerichteten Tageskinos als Nachrichtenillustration begierig bestaunt, langweilt heute die durch Fernsehen up to date gehaltenen Kinogeher: Unaktuell und fad präsentiert die Wochenschau nur einen müden Abklatsch der allabendlich über die Bildschirme flimmernden Sendung „Zeit im Bü’l”.

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Die Ursaciie der Malaise: eine antiquierte Konstruktion. Die Austria-Wocdienschau Gesellschaft m. b. H. steht zu 52 Prozent im Biigentum der Republik Österreich, je 24 Prozent gehören der Wirtschaftsgenossenschaft österreichischer Kinobesitzer und der KIBA. Die drei Partner sind gleichberechtigt — das bedeutet, daß die Gesellschafterversammlung nur eLnstimmige Beschlüsse fassen kann. Hinter dieser einfachen juristischen Konstruktion verbingt sich ein Pro-parzuntemehmen alten Stils, das in der Zeit der großen Koalition entstand und bis heute alle Versuche zu Transparenz und Demokratisierung unbeschadet ül>erstanden hat.

Die Krise freilich ist notorisch: seit seiner Gründung im Herbst 1949 wuirde es alle paar Jahre reorganisiert und saniert. Zuletzt 1968. Damais beglich die Republik Österreich Schulden in der Höhe von sie-

ben Millionen Schilling und setzte eine neue Geschäftsfühi-ung ein: Joachim Senekovuc (ÖVP) als kauf-mäninisch verantwortlieiien Leiter und Edmund „Mundi” Reismann (SPÖ) als Geschäftsführer mit Programmkompetenz.

Seither hat sich die finanzielle Situation dank des jungen Senekovic gebessert, die Programmgestaltung blieb der wunde Punkt der längst von der Zeit überholten herkömmlichen Wochenschau. Der m letzter Zeit erreichte bescheidene Geba-runigsübenschuß resultiert aus einer konsequenten Rodung der schwerfälligen Organisation, aus Auftragswerken, vor allem für das Femsehen, und aus den sogenannten ..Farbeinschaltungen”.

Abfertigung — beste Investition

Der Ex-SPÖ-Nationalratsabgeord-nete (bis 1953) Edmund Reismann hält jedoch an der Programmgestal tung, wie siie in der Vorkriegszeit erfolgreich gewesen sein mag, eisern fest und wehrt alle Versuche einer Programmumstrukturierung hartnäckig ab. „Tatsache ist”, so formulieren es Betriebsangehörige, „daß seine chaotische Geschäftsführung die Wochenschau täglich finanziell belastet.”

Gemäß Gerd Bachers Maxime, daß Abfertigungen oft die besten Investitionen sind, wird Reismann nun aber, nachdem dieser Bescdiluß die Zuistimmung sowohl des Finanzministeriums als auch des Bundeskanzleramtes fand, einer «-ielgeübten Praxis zufolge am 1. Mai 1971 „auf Urlaub” gehen, um ab 1. Juli dieses Jahres endgültig in den Ruhestand zu treten. Allerdings wird er mit eiinem Konsulentenvertrag, der mit 10. März 1972 („Mündts” 65. Geburtstag) befristet ist, bedacht. In dieser Punktion wird er Farbfceile, die er heute oft aus Unerforschilichen Gründen ablehnt, beschaffen. Um ihm den Schritt ins Pensionistendasein noch etwas au erleichtern, wird er eine Abfertigung in der Höhe von 406.000 Schilling bekommen, die fast dreimal so hoch ist wie die gesetzliche Abfertigung, die nur ungefähr 150.000 Schilling ergäbe. Reismanns Nachfolger ist Richard Tupy, der sicäi in der ..Progress-Werbung” als dynamischer Werbefachmann profilieren konnte. Mit seiner Installierung als Geschäftsführer mit Programmkompetenz am 1. Juli

1971 (und Vertrauensmann der SPÖ) wird eine neuerliche Reorganisation beginnen. Bereits Mitte September soll ein „Magazin”, das statt gebremister Aktualität Reportagethemen behandelt, die herkömmliche Wochenschau ersetzen. Während all diese für die Zukunft dar Wochenschau einschneidenden Entscheidumigen fallen, trotzt Reds-mann jedoch im ehemailägen Wochenschauhaus im 17. Bezirk den Reformen. Alle übrigen Wochanschaumit-arbeiter resiidieren auf Grund eines Gesellschafterbeschlusises bereits seit Wochen im Filmhaus in der Sieben-sterngasse. Die Kommunikation mit dem vergrämten „Mundi” besorgt ein Bote…

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