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Nun auch Tairow und Meyerhold

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Im vergangenen Jahr fand in Moskau und Leningrad eine von der Salzburger Max-Reinhardt-Forschungsstelle zusammenge-stelle Reinhardt-Ausstellung statt. Als Gegenveranstaltung sieht man derzeit im Foyer des Burgtheaters und der Staatsoper eine vom Bundesministerium für Unterricht und Kunst sowie vom Kulturamt der Stadt Wien unterstützte Ausstellung „Sowjetrussisches Bühnenbild”, die vom Moskauer Allrussischen Theaterverband gestaltet wurde. Etwa zwei Drittel der Exponate zeigen die Theaterkunst der Gegenwart, ein Drittel bietet eine Retrospektive.

Was möchte man da vor allem gerne sehen? Die Großen des russischen Theaters: Stanislawskij, Tairow, Meyerhold, Wachtangow. Doch in der großen „Europäischen Theaterausstellung 1955” in Wien waren weder Tairow noch Meyerhold vertreten, nur Stanislawskij und Wachtangow. Meyerhold wurde im Jahr 1939 nach einer Rede im Rahmen eines Theaterkongresses verhaftet und seither hat man, hieß es, nie mehr etwas von ihm gehört. Aber nach Stalins Tod wurde er rehabilitiert.

So erhält man derzeit im Burgtheater im Gegensatz zu 1955 einen knappen, aber instruktiven Einblick in das zukunftsträchtige Bühnenschaffen der zwanziger Jahre in Rußland. Man sieht in Photos jene Gerüstaufbauten der Inszenierungen Tairows und Meyerholds, denen vor allem eine funktionelle Bedeutung für die Bewegung der Schauspieler zukommt. Ein Bühnenbild von Ryndin für Wischnjewskijs „optimistische Tragödie” leitet sich von Appia her und nimmt Wieland Wagner voraus. Der Schöpfer des Konstruktivismus Tatklin zeigt sich in einem Bühnenbild vom Expressionismus beeinflußt. Ein nicht realisiertes Bühnenprojekt stammt von

Lissitzky, der auch in Deutschland tätig war. Das Kubische der Kostüme von Alexandra Ekster findet sich weiterentwickelt bei Schlemmer. Aus jüngster Zeit beeindrucken Modelle von Borow-skij und vor allem von Kitajew, in denen das Konstruktive aus Abstraktem ins Gegenstandsnähere bei stark expressivem Gehalt rückgeführt ist.

Die Entwürfe für Oper und Ballette, die in der Staatsoper gezeigt werden, stammen von jüngeren Bühnenbildnern. Eine formal überaus eigenartige Lösung findet Serebrowskij für Pro-kofleffs „Romeo und Julie”. Gesteigert Expressives bringt Ljusik zu starker Wirkung. Nur bei der Verwendung folkloristischer Motive ergeben sich allenfalls Annäherungen an den „sozialistischen Realismus”. Generell kann festgestellt werden: hiefür ist die Phantasie dieser Bühnenbildner zu lebhaft.

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